Der Finanzkonzern wird Stellen abbauen, der Umfang ist unklar. Die Gewerkschaft Verdi befürchtet Schlimmes.

Stuttgart - Ehrgeizig waren die Ziele von Vorstandschef Alexander Erdland schon immer. Auf das Strategie- und Sparprogramm „W&W 2009“ folgte „W&W 2012“. Seit ein paar Monaten arbeitet die Führungsebene des Stuttgarter Versicherungs- und Bausparkonzerns am Programm „W&W 2015“. Es soll vom kommenden Jahr an greifen und dem Finanzdienstleister trotz schwierigen Umfeldes zu einem dauerhaften Gewinn von 250 Millionen Euro pro Jahr verhelfen – das wäre ein Rekordniveau. 2011 lag der Überschuss bei knapp 192 Millionen Euro.

 

„W&W 2015“, intern als „Stärkungsprogramm“ bezeichnet, sieht äußerst ehrgeizige Kostensenkungen vor. Von 2015 an sollen jeweils mindestens 100 Millionen Euro an Aufwand vermieden werden. Das heißt, die Gesamtkosten von aktuell 1,2 Milliarden Euro sollen um gut acht Prozent gedrückt werden. Schon jetzt ist klar, dass dies auch die Belegschaft trifft. Nur der Umfang ist noch nicht klar oder wird noch geheim gehalten. In Betriebsversammlungen wurden die Mitarbeiter jedenfalls jüngst auf „die neue Realität“ eingestimmt. Fest steht nur, dass die W&W-Gruppe „Stelleneinsparungen möglichst ohne betriebsbedingte Beendigungskündigungen und in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern“ umsetzen will. Dies erklärte der Konzern am Dienstag, nachdem die Gewerkschaft Verdi mit einem Flugblatt die Belegschaft vor „neuen Grausamkeiten“ gewarnt hatte. Gegenwärtig sind 9600 Frauen und Männer im Innendienst bei W&W beschäftigt. Standorte sind neben Stuttgart Ludwigsburg, Bad Vilbel und München. Im Außendienst sind 6000 Leute tätig. Dem Vernehmen nach soll auch die Vertriebsorganisation erneut gestrafft werden.

Die Arbeitnehmervertreter haben Verständnis dafür, dass sich auch die Stuttgarter für eine lang anhaltende Niedrigzinsphase, erhöhte Regulierungskosten und steigende Eigenkapitalanforderungen rüsten müssen. Die Problematik treffe die gesamte Branche, sagt Jochen Höpken, der Verdi-Konzernbetreuer von W&W. Was bei Verdi und den Betriebsräten die Alarmglocken schrillen lässt, ist die Art und Weise, wie das Management seine Ziele ankündigt und durchsetzen will. Als Stiftungsunternehmen habe die Gruppe eine besondere soziale Verantwortung, mahnt Höpken und fügt hinzu: „Wir haben wie schon bei ,W&W 2012‘ einen sehr schlechten Informationsstand.“ Höpken, der auch Aufsichtsratsmitglied der Wüstenrot & Württembergische AG ist, erwartet, dass in der Aufsichtsratssitzung im Dezember die Würfel fallen. Der Konzern will aber erst Ende März 2013 entschieden haben, wie stark und auf welche Weise Personalkosten gesenkt werden. Dies sei für die Mitarbeiter unzumutbar, kritisiert Höpken, zumal das Management die Belegschaft „mehrfach mit dem Knüppel darauf hingewiesen hat, dass der Konzern unter hohem Druck steht und es ums Ganze geht“. Jedes Produkt und jeder Arbeitsablauf würden unter die Lupe genommen, berichten Insider. In dieser Intensität habe es das noch nie gegeben.

Schon seit Langem fordert Verdi, der Vorstand solle über einen Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag verhandeln. Das wurde stets abgelehnt. Vorstandschef Erdland kündigte jetzt intern an, dass man 2013 mit den Betriebsräten verhandeln werde, sagte aber nicht, worüber genau. Fest stehe, dass W&W bei wichtigen Kostenfaktoren noch schlechter sei als relevante Wettbewerber. Erdland forderte gestern in der Mitarbeiterinformation Einblick: Das Unternehmen müsse „ureigene Defizite“ abbauen.

Die Ende 2011 ausgehandelte Betriebsvereinbarung für die Bausparkasse und die Bank schützt zwar 2500 Mitarbeiter bis Ende 2014 vor betriebsbedingten Kündigungen, Änderungskündigungen seien aber keineswegs ausgeschlossen, erklärt der Gewerkschafter Höpken. Dies ist auch die große Angst der Belegschaft: es könnten noch mehr Tätigkeiten outgesourct oder in tariflose Gesellschaften wie die WWP in Berlin verlagert werden. Sie wurde eigens für die Kreditbearbeitung gegründet. Verunsicherung schürten zuletzt die Vorgänge bei der 2009 gegründeten W&W Service GmbH (WWS). Dorthin haben etwa Küchenpersonal, Reinigungskräfte und Haustechniker gewechselt. Im Januar werden nun 70 Beschäftigte im Facility Management (etwa Gebäudetechnik) zu dem Dienstleister Dussmann ausgelagert. Es gibt Gerüchte, dass die WWS mit aktuell rund 600 Mitarbeitern zur kostengünstigen Bearbeitungsgesellschaft für Standardgeschäft aus Bausparkasse und Versicherung ausgebaut wird. Das Unternehmen wollte sich dazu nicht äußern. „Schon jetzt gibt es in der WWS prekäre Arbeitsverhältnisse“, sagt Höpken. „Das macht mich richtig wütend.“