In der vergangenen Dekade stieg die Stellenzahl in den Ministerien stärker an als in der Landesverwaltung insgesamt. Der Auslöser war ein Machtwechsel.

Stuttgart - Zwölf Stunden tagte die Haushaltskommission der grün-schwarzen Regierungskoalition am Sonntag, am Ende hatte man die Stellenanforderungen der Ministerien von 4000 auf etwa 2400 heruntergehandelt. So verlautet es aus Koalitionskreisen zum Stand der Gespräche. Zusätzliche Beschäftigte mögen für das Land an vielen Stellen segensreich wirken, sie sind aber zunächst einmal der natürliche Feind aller Haushaltspolitiker, weil sie strukturelle, also langfristig anfallende Kosten nach sich ziehen.

 

Strukturell befindet sich der Landesetat noch nicht in der Verfassung, welche die vom Jahr 2020 an wirksame Schuldenbremse erfordert. 1,9 Milliarden Euro beträgt die strukturelle Lücke laut Finanzplanung. Das Personal spielt bei er Haushaltssanierung eine wichtige Rolle. Die direkten Personalkasten machen mehr als 40 Prozent des Landesetats aus. Das bedeutet: Wer den Haushalt in Ordnung bringen will, kommt an den Beschäftigten nicht vorbei. Zwei Wege bieten sich an: entweder Aufgabenkritik samt Personalabbau oder Leistungskürzung. Den zweiten Weg hatte Grün-Rot mit der Kürzung der Eingangsbesoldung für die jungen Beamten gewählt. Das macht Grün-Schwarz jetzt rückgängig.

Ein Blick auf die vergangene Dekade zeigt, dass sich die jeweiligen Landesregierungen – Schwarz-Gelb und Grün-Rot – beim Personalaufbau am Riemen gerissen haben. Die Stellenzahl im Landesdienst stieg nach Angaben des Finanzressorts von 208 788 im Jahr 2007 auf dann 212 767,5 im Jahr 2017. Das bedeutet ein Plus von 1,9 Prozent. Von Stellenabbau aber kann freilich keine Rede sein.

In den Ministerien geht die Stellenzahl steil nach oben

Pikant: In den Ministerien (Ministerialverwaltung ohne Landtag, Rechnungshof und Verfassungsgerichtshof) fällt der Stellenzuwachs sehr viel markanter aus. Gab es dort vor zehn Jahren noch 3097,5 Stellen, so sind es im laufenden Jahr 3402. Ein Anstieg von fast zehn Prozent. Der Zuwachs ist noch deutlicher, wenn man das Jahr der grün-roten Regierungsübernahme zum Ausgangspunkt nimmt. Von 2007 bis 2010 hatten die Regierungen Günther Oettinger und Stefan Mappus in den Ministerien Stellen abgebaut. 2011, dem Jahr des Machtwechsels, stieg die Zahl aber deutlich auf 3376 Stellen an und erreichte unter Grün-Schwarz den Wert von 3402. Von 2010 bis 2017 bedeutet dies einen Zuwachs von 15 Prozent. Grün-Rot schuf damals ein eigenständiges Verkehrsministerium und das Integrationsministerium, dafür wurde das Wirtschaftsministerium dem Finanzressort zugeschlagen. Über so genannte kw-Stellen („künftig wegfallend“), hieß es seinerzeit, würde der Stellenaufbau wieder rückgängig gemacht. Dies erwies sich aber als leeres Versprechen.

Wie volatil Ankündigungen im Haushaltsbereich sind, zeigt die einst von Grün-Rot beabsichtigte Streichung von 11 600 Lehrerstellen. Dies erschien angesichts des prognostizierten Rückgangs der Schülerzahl möglich. Zeitweise war außerdem davon die Rede, in der Landesverwaltung 5000 weitere Stellen zu streichen, was in toto den Abbau von 16 600 Stellen bedeutet hätte. Doch die Schüler wollten nicht so, wie sich die Statistiker das ausgedacht hatten: Sie wurden einfach nicht weniger.

Bei den laufenden Haushaltsberatungen ist es Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) gelungen, verbliebene Einsparauflagen einzusammeln. Jetzt ist wieder von mehr Lehrerstellen die Rede, die aus verschiedenen Töpfen zusammengetragen werden. Vorläufig ist noch offen, ob dies eine Rückkehr zum Grundprinzip einstiger CDU-Schulpolitik bedeutet, das darauf hinauslief, jedes bildungspolitische Problem mit neuen Stellen zuzudecken. Baden-Württemberg erreichte damit Bestwerte bei der Lehrer-Schüler-Relation, den bildungspolitischen Abstieg verhinderte dies aber nicht.

Nachdenken über die Sinnhaftigkeit von Ausgaben

War es bisher die Schulpolitik, die mit dem Kampfruf „Bei der Bildung darf nicht gespart werden“ von jedem kritischen Nachdenken über die Sinnhaftigkeit von Ausgaben abgeschirmt wurde, so können aktuell angesichts der derzeitigen Terrorgefahr die Sicherheitspolitiker recht unbedrängt ihre Forderungen vortragen. 1500 neue Polizeistellen sind im Koalitionsvertrag vereinbart. In der CDU-Fraktion wurden bereits Rufe nach 2000 weiteren Stellen laut. Deren Urheber fanden sich schnell ruhig gestellt, da dieses Ziel angesichts beschränkter Ausbildungskapazitäten nicht so einfach erreichbar erschien.

Zusätzliche Stellen fordert auch Justiz- und Europaminister Guido Wolf (CDU) an, mehr als 400 heißt es, die Haushaltskommission denke eher an 150. Neue Stellen verlangen alle Ressorts, mit Nachdruck Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Er verweist darauf, dass auch die Umweltverwaltung vor einer Pensionierungswelle stehe. Schon jetzt hätten Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der Umweltverwaltung gelitten, weil höhere inhaltliche Anforderungen und immer neue Normen nicht von immer weniger Leuten bewältigt werden könnten. 250 zusätzliche Stellen schweben Untersteller vor.