Es ist vorbei: Mit „Mind Control“ schließt Horror-Kultautor Stephen King seine kurze Reihe über den Ex-Detective Bill Hodges und den irren Massenmörder Brady Hartsfield ab. Oder etwa doch nicht?

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Es beginnt mit einer Rückblende: Es ist der 10. April 2009, und der Leser erlebt noch einmal das grässliche Attentat auf die unschuldigen Besucher eines Einkaufszentrums mit vielen Toten und Verletzten. Darunter Martine Stover: Sie überlebt, ist allerdings querschnittsgelähmt. Der Täter, der in den Medien Mercedes-Killer genannt wird, ist schnell identifiziert: Es handelt sich um die Psychopathen Brady Hartsfield. Doch Hartsfield will ein paar Jahre später erneut zuschlagen: Er versucht, die Besucher eines Rockkonzerts mit einer Bombe in die Luft zu sprengen – und scheitert. Ex-Detective Bill Hodges kann Hartsfield stoppen. Seine Assistentin Holly schlägt dem Massenmörder mit einem Totschläger das Hirn zu Brei.

 

Möchte man jedenfalls meinen, jedoch weit gefehlt: In „Mind Control“ vegetiert Brady Hartsfield vorgeblich mit schweren Hirnschäden im Wachkoma in einer Klinik für Neurotraumatologie vor sich hin. Doch dann werden Bill Hodges und Holly Gibney zu einem vermeintlichen Selbstmord gerufen. Die Mutter von Martine Stover hat erst ihrer Tochter und dann sich selbst das Leben genommen. Während für die Polizei der Fall klar zu sein scheint, fangen Hodges und Gibney an zu stochern. Bald stellen sie fest, dass es nicht mit rechten Dingen zu geht und Brady Hartsfield offenbar alles andere als hirntot ist. Vielmehr scheint er neue, tödliche Kräfte zu besitzen. Und in der Stadt mehren sich die Selbstmorde . . .

Mit „Mind Control“ ist Stephen King ein runder Detektivthriller mit übernatürlichem Einschlag gelungen. Wie sich Hodges mit seinen Helfern an die gruselige Wahrheit um Brady Hartsfield heranpirscht, ist spannend zu lesen, bis hin zum blutigen Showdown im Schneesturm. Die Charakterzeichnung der Protagonisten ist wie bei King üblich farbig und treffend, wenn auch bei den Nebenfiguren bisweilen etwas holzschnittartig. Doch die Mischung aus „Hardboiled Detective Story“ und typischer King’scher Fabulierkunst hat ihren Reiz. Letzterer entsteht vor allem durch Kings schwarzen Humor, der beide literarische Welten verbindet.

Nichts für Horror-Nostalgiker

Unverständlich bleibt einzig eine längere Passage im zweiten Teil des Buches, in dem der Leser erfährt, wie Brady Hartsfields sinistres Treiben vonstatten geht, was bis dahin aber eigentlich schon mehr oder weniger klar ist. Auch muss der Leser die ersten beiden Bill-Hodges-Thriller „Mercedes Killer“ und „Finderlohn“ nicht zwingend gelesen haben. Deren Storys werden im Wesentlichen nacherzählt. Und der dritte Kritikpunkt: Vor allem Horror-Nostalgiker mit Hang zur Silberkugel und lichtlosen Kellern werden die technischen Vehikel, mit denen Brady Hartsfield seine Gier nach Tod und Verderben befriedigt, nicht unbedingt mögen.

Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Stephen-King-Fans können bedenkenlos zugreifen, und wer auf klassische Ermittlergeschichten steht, für den lohnt sich vielleicht der kleine Ausflug in die King’sche Interpretation der amerikanischen Detektivstory.

Stephen King: „Mind Control“. Roman. Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt. Heyne München 2016, 528 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 22,99 Euro. Auch als E-Book 18,99 Euro und als Hörbuch, 22,99 Euro.