Das Hotel Traube in Baiersbronn-Tonbach droht seinen guten Ruf zu verlieren: Der Sternekoch Harald Wohlfahrt klagt gegen seinen Arbeitgeber Heiner Finkbeiner auf Weiterbeschäftigung als Küchenchef. Am 25. Juli wird im Arbeitsgericht Pforzheim verhandelt.

Stuttgart - Ein Sternekoch, der seine Küche nicht mehr betreten darf – ein Hotelchef, gegen den dieser Sternekoch mit einer einstweiligen Verfügung vor Gericht zieht: Die jahrzehntelange fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Sternekoch Harald Wohlfahrt (61) und seinem Arbeitgeber, dem Hotel Traube in Baiersbronn-Tonbach nahe Freudenstadt, ist mit einem Knall geendet. Hintergrund scheint ein Zerwürfnis zwischen dem Spitzenkoch und dem Hotelbetreiber Heiner Finkbeiner zu sein. Wie das Arbeitsgericht in Pforzheim am Freitag mitteilte, hat Wohlfahrt, seit 41 Jahren Aushängeschild der deutschen Spitzengastronomie und als Küchenchef der zum Hotel gehörigen Schwarzwaldstube 25 Jahre in Folge vom „Guide Michelin“ mit drei Sternen ausgezeichnet, Klage gegen seinen Arbeitgeber eingereicht und eine einstweilige Verfügung beantragt: Er möchte weiter als Küchenchef der Schwarzwaldstube im Einsatz sein.

 

Anfang Juli habe Finkbeiner mit einem Schreiben Wohlfahrt die Tätigkeiten eines kulinarischen Direktors zugewiesen. Kurze Zeit später sei dem Koch untersagt worden, die Schwarzwaldstube zu betreten. „Der Fall wird am 25. Juli öffentlich im Arbeitsgericht Pforzheim verhandelt“, sagte Matthias Menn, der Sprecher des Gerichts, am Freitag. Beide Parteien seien persönlich geladen. Harald Wohlfahrt war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auch die Hotelleitung äußerte sich auf Nachfrage nicht zu dem laufenden Verfahren.

„In der Schwarzwaldstube steckt mein ganzes Leben“, sagt der Sternekoch

Doch völlig überraschend kann der anvisierte Wechsel ins Administrative für Wohlfahrt nicht gekommen sein. Bereits Mitte Mai hatte die Hotelleitung angekündigt, dass die Führung des renommierten Restaurants im Sommer auf Wohlfahrts Nachfolger Torsten Michel, Jahrgang 1977, übergehen solle. Damals hatte es so geklungen, als erfolge der Stabwechsel reibungslos und einvernehmlich. In einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin „Capital“, in dem der Führungswechsel erstmals konkretisiert wurde, sagte Wohlfahrt zwar: „In der Schwarzwaldstube steckt mein ganzes Leben. So einfach ist es nicht, sich zu trennen.“ Aber: „Im Tagesgeschäft hat sich der Wechsel längst vollzogen“, fügte Michel hinzu, der auch schon seit 14 Jahren in der Traube Tonbach ist: sieben Jahre davon als Wohlfahrts Souschef und Stellvertreter. Bereits seit Mai 2016 agierte er zusammen mit Wohlfahrt als Küchenchef.

Der Patron Heiner Finkbeiner sagte damals zu Wohlfahrts Zukunft in seinem Hause gegenüber dieser Zeitung: „Er ist und bleibt unser Mitarbeiter – sein Name wird immer hoch gehalten.“ Wohlfahrt werde sich keinesfalls in den Ruhestand zurückziehen, sondern „sich neuen Ideen und Projekten widmen“. Wohlfahrt selbst hatte sich zuvor nie konkret zu seinem Abschied geäußert, sondern dieser Zeitung bei seinem 40-Jahr-Jubiläum im Hotel Traube Tonbach im April 2016 nur pauschal gesagt: „Das Haus ist stark genug – wie Bayern München.“

Statt fröhlich das 40-Jahr-Jubiläum zu feiern, reicht Wohlfahrt Klage ein

Der Anwalt Frank Hahn von der Stuttgarter Kanzlei Kasper Knacke, der Finkbeiner in diesem Fall vertritt, betonte am Freitag auf Anfrage, es habe mit Wohlfahrt fünf oder sechs Gespräche zum Thema Übergabe gegen: „Aus unserer Sicht war alles einvernehmlich vereinbart – ohne Vorbehalte.“ Man habe sich darauf verständigt, dass Wohlfahrt die Leitung der Küche ganz an Michel übergebe und die Position des kulinarischen Direktors übernehme. „Anfang Juli sollte Herr Wohlfahrt offiziell verabschiedet werden.“ Daraus wurde nichts. Seit 1. Juli nun ist Torsten Michel offiziell alleiniger Küchenchef der Schwarzwaldstube, was bei einer Veranstaltung zum 40-Jahr-Jubiläum des Gourmetrestaurants auch gefeiert wurde. Statt fröhlich mitzufeiern, reichte Wohlfahrt Klage ein.

Wie es zum mutmaßlichen Zerwürfnis gekommen ist, ließ sich bisher nicht eruieren. Was man weiß: Der Posten eines Küchendirektors ist in großen Häusern üblicherweise eine übergeordnete Funktion. Er kümmert sich um das kulinarische Programm im gesamten Hotel. Aber es handelt sich mehr um eine Bürotätigkeit als um einen Einsatz am Herd. „Ich kann Harald Wohlfahrt in gewisser Weise verstehen“, sagte sein Kollege Vincent Klink am Freitag auf Anfrage. Der Stuttgarter Sternekoch zeigte sich von der Nachricht bestürzt: „Wohlfahrt und Finkbeiner waren doch wie Siamesische Zwillinge. Wenn man so lang gegenseitig voneinander profitiert hat, sollte man sich nicht vor Gericht treffen.“ Dass sich sein Kollege – „so fit und kreativ wie er noch ist“ – nicht aus der Küche zurückziehen will, kann der Patron der Wielandshöhe nachvollziehen. „Mir ist aber auch klar, dass Herr Finkbeiner für seinen Betrieb nach vorne denken muss.“ Klink hofft nun, dass sich die Parteien doch noch zusammensetzen und gütlich einigen: „Ich habe im Leben gelernt, dass es nie zu spät ist, dass man am Schluss alles im Guten regeln kann.“ Da er die Beteiligten persönlich kenne, könne er sich sogar vorstellen, vermittelnd tätig zu werden.

Die Sterne kommen und gehen häufig mit dem Küchenchef

So oder so: Für Torsten Michel dürfte seine Aufgabe, die Spitzenposition der Schwarzwaldstube in Deutschland zu behaupten, durch die Vorgänge nicht leichter geworden sein. Mag er auch schon seit einem Jahr maßgeblich die Menüs geschrieben und verantwortet haben – nun steht er offiziell allein an vorderster Front. Es wird sich zeigen, wie die Gourmetkritiker, allen voran die Inspektoren des „Guide Michelin“, seine Arbeit bewerten. Mit den verliehenen Sternen wird zwar immer die gesamte Leistung eines Teams anerkannt, aber die Sterne kommen und gehen nun mal auch häufig mit dem Küchenchef. Mit den Meriten des Vorgängers lässt sich nicht argumentieren, und wenn der dann wie Wohlfahrt auch noch in manchen Rankings als die absolute Eins in Deutschland gelistet war, wird es doppelt schwer.

Wie auch immer die Sache am 25. Juli vor Gericht enden wird – es ist schwer vorstellbar, wie eine gemeinsame Zukunft von Harald Wohlfahrt und der Traube Tonbach aussehen könnte. Letztlich dürften beide Parteien Schaden nehmen an einer Geschichte, die über Jahrzehnte die Erfolgsgeschichte schlechthin in der Spitzengastronomie war.