In der Sternwarte auf der Uhlandshöhe ist das aus dem Jahr 1911 stammende Zeiss-Teleskop ausgebaut und nach Jena zur Reinigung gebracht worden. Bei dem Brand in der Sternwarte im November war das Rauchgas durch alle Ritzen gedrungen, Rußpartikel hatten sich auch in der Feinmechanik des empfindlichen Fernrohrs festgesetzt. Der Ausbau mit Hilfe eines großen Krans war weithin sichtbar und zog viele Blicke auf sich.

S-Ost - Dieses Teleskop verlangt den Fachleuten aus Jena und Böblingen so einiges ab. Es ist nicht nur uralt, sondern auch fest verschraubt, schwer und höchst empfindlich, sondern muss auch noch ganz vorsichtig und ohne dass es anstößt durch die schmale Öffnung in der Kuppel der Sternwarte auf der Uhlandshöhe per Kran nach draußen gehoben werden. Dabei ist in der Kuppel hoch über Stuttgart gestern um die Mittagszeit so mancher Tropfen Schweiß geflossen. Aber nach einigen Stunden war es geschafft, das Schmuckstück der Sternwarte war in Einzelteile zerlegt sicher in einem Lastwagen verladen und auf dem Weg nach Jena. Dort wird jedes Zahnrädchen gründlich sauber gemacht. Das wird neun Monate dauern.

 

1911 in Jena hergestellt

Bei dem Gerät, mit dem in den vergangenen Jahrzehnten schon Tausende von Stuttgartern nach den Sternen geschaut haben, handelt es sich in der Fachsprache um einen 7-Zoll-Zeiss-Refraktor. Er wurde im Jahr 1911 bei Carl-Zeiss in Jena hergestellt, dann von dem Korntaler Fabrikant Eisemann erworben und von dessen Schwester im Jahr 1948 der Stuttgarter Sternwarte zur Verfügung gestellt. Bei Sternenhimmel-Beobachtungen wird die Erdrotation durch eine komplizierte Mechanik ausgeglichen, dazu gehören beispielsweise auch ein 120 Kilo schweres Gewicht und ein Fliehkraftregler.

Das große Fernrohr mit einer Brennweite von 2590 Millimetern war 1991/92 generalüberholt worden und ist das „Arbeitstier“ der Sternwarte, ideal geeignet für die Führungen in der Kuppel. Damit ist es allerdings seit vergangenem November vorbei: Am 10. November 2015 hat es in der Sternwarte gebrannt. Ein Unbekannter hatte damals Feuer gelegt, der Vortragssaal und die Bibliothek einer der ältesten öffentlich nutzbaren Sternwarten in Deutschland wurden zerstört. Das Feuer griff zwar nicht auf die Kuppel über, aber der Rauch drang durch und in jede Ritze.

Rauch macht mehr kaputt als das Feuer selbst

„Durch das Rauchgas sind große Schäden entstanden“, sagte der Vorsitzende des Vereins Schwäbische Sternwarte, Andreas Eberle, in der vergangenen Woche im Bezirksbeirat Stuttgart-Ost. „Mehr als durch das Feuer selbst.“ Das ist auch der Grund, warum die Hunderte von Einzelteilen des Teleskops Stück für Stück gereinigt werden. Würde man das nicht tun, könnten die Rußpartikel die Feinmechanik zerstören.

Die Firma 4H Jena Engineering GmbH hat sich auf solche alten Teleskope spezialisiert. Das Unternehmen wurde im Jahr 1991 von ehemaligen Zeiss-Mitarbeitern gegründet und bietet die Instandsetzung, Reparatur, Restaurierung und Modernisierung von solchen astronomischen Großgeräten an. „Bei der Fertigung des Teleskops gab es die heute üblichen Din-Normen noch nicht“, sagt Andreas Eberle. „Deswegen sollte keine Schraube kaputt gehen – es könnte eine Sonderanfertigung sein.“

Vielleicht wird die Sternwarte größer

Die Demontage und Verladung des Teleskops mit einem Großkran lockten gestern bei strahlendem Sonnenschein zahlreiche Schaulustige – überwiegend Vereinsmitglieder – auf die Uhlandshöhe. In den Gesprächen während der Wartepausen ging es auch immer wieder um die Frage, wie es mit der Sternwarte weiter gehen soll.

Andreas Eberle hatte im Bezirksbeirat davon gesprochen, dass der Verein versuchen wolle, den Brand und die verheerenden Folgen auch als Chance zu sehen. In den kommenden Wochen und Monaten werde überlegt, wie man einen zukunftsorientierten Wiederaufbau gestalten und finanzieren könne. Der Verein habe zwar Versicherungen, die einen Teil des entstandenen Schadens ausgleichen würden.

Allerdings müsse man von erheblichen Mehrkosten ausgehen, die zum Teil durch veränderte Vorschriften, zum Teil durch Anforderungen wie eigene Toiletten, Nebenräume und eine modernere technische Ausstattung verursacht würden. Eberle will auch eine Erweiterung der unter Denkmalschutz stehenden Sternwarte nicht ausschließen.