Deutsche Anleger mit Konten in der Schweiz müssen von 2013 an Steuern zahlen. Bei Alt-Vermögen können sich Schwarzgeld-Täter „reinwaschen“.

Berlin/Bern - Für das Bundesfinanzministerium ist es ein Neuanfang: Nach jahrzehntelangem Steuerstreit sind sich die Regierungen in Bern und Berlin einig, dass sich deutsche Anleger mit Konten in der Schweiz von 2013 an nicht mehr von ihrer Pflicht als Steuerzahler drücken können. Von diesem Jahr an werden die Kapitalerträge von Bankkunden mit Wohnsitz in Deutschland steuerpflichtig: Die Schweizer Banken ziehen dann von Kursgewinnen, Dividenden und Spareinlagen eine Quellensteuer ein, deren Höhe mindestens der in Deutschland geltenden Abschlagsteuer von 26,375 Prozent entspricht. Das Signal ist klar: Die Schweiz soll künftig kein Hort für Steuerflüchtlinge mehr sein. Auch Bankkunden, die seit Jahren unversteuertes Schwarzgeld im Nachbarland halten, kommen nicht ungeschoren davon. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gesteht zwar das Privileg zu, dass Steuersünder weiterhin anonym bleiben. Doch sie müssen für die unversteuerten Gelder nachträglich einen Pauschalbetrag an den deutschen Fiskus abführen. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass Steuerbetrüger Kapital aus der Schweiz abziehen.

 

Für die Zukunft ist der Steuerabzug einfach: Die Schweizer Banken ziehen die Abschlagsteuer von den Konten deutscher Anleger ein und überweisen sie an den deutschen Fiskus. Bei Aktiengewinnen und Dividenden beträgt die Abschlagsteuer wie in Deutschland 26,375 Prozent. Anders verhält es sich bei Zinseinkünften. Für diese Erträge gilt seit langem die EU-Zinssteuerrichtlinie, die weiterhin Bestand hat. Damit werden auf Zinsen 35 Prozent Steuern fällig. Anleger mit einem Auslandskonto zahlen bei Zinseinkünften somit höhere Steuern als in Deutschland.

Die Schweiz bestand von Anfang an darauf, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Nach ungesicherten Schätzungen sollen Deutsche in der Schweiz Auslandsvermögen von 100 Milliarden Euro halten. Die genaue Höhe kennt niemand. Beide Länder haben sich nun darauf verständigt, dass die Kapitalvermögen von Personen mit Wohnsitz in Deutschland aus den vergangenen zehn Jahren einmalig einer Pauschalsteuer unterworfen werden. Ab 2013 ermitteln die Schweizer Banken, welche Vermögen Deutsche in den vergangenen zehn Jahren angesammelt haben. Auf das Altvermögen muss dann eine Steuer von 19 bis 34 Prozent bezahlt werden.

Bund, Länder und Gemeinden profitieren

Beispiel: Wer in der Schweiz zum Ende kommenden Jahres 100.000 Euro auf einem Sparkonto besitzt, muss bis zu 34.000 Euro abführen. Die Steuer führt die Schweizer Bank anonym ab. Die genaue Höhe richtet sich danach, wie lange das Geld schon in der Schweiz liegt und ob der Anleger während der Laufzeit neue Einzahlungen vorgenommen hat. Wurden zum Beispiel regelmäßig Zahlungen getätigt, nimmt der Fiskus an, dass nicht nur Kapitalerträge hinterzogen, sondern Schwarzgeld in die Schweiz transferiert wurde. In diesem Fall muss der Bankkunde mit dem höheren Steuersatz von 34 Prozent rechnen. Über die Identität des Kontoinhabers erfährt der deutsche Fiskus nichts. Sobald die Schweizer Bank den Pauschalbetrag einzieht, kann der Kunde aus Deutschland nicht mehr wegen Steuerhinterziehung verfolgt werden. Es steht zu vermuten, dass viele Anleger von dem Angebot Gebrauch machen, da sie sich dem Fiskus nicht offenbaren müssen und dennoch Straffreiheit erlangen. Wirtschaftlich betrachtet kann die Selbstanzeige vorteilhafter sein. In diesem Fall müssen Steuern plus Zinsen nachbezahlt werden. Die Entscheidung hängt auch von der Anlage ab.

Die Schweizer Banken müssen Deutschland für die „Bereinigung“ der Altvermögen vorab zwei Milliarden Schweizer Franken (rund 1,9 Milliarden Euro) überweisen. Dieser Betrag wird 2013 fällig. Damit leistet die Schweiz eine Abschlagszahlung auf erwartete Einnahmen. Wie viel Geld die Pauschalbesteuerung der Altvermögen einbringt, wird sich erst nach 2013 zeigen. Von den Einnahmen profitieren Bund, Länder und Gemeinden. Sicher ist, dass der deutsche Staat in Zukunft wegen der Abschlagsteuer für das in der Schweiz angelegte Kapital mit regelmäßigen Einnahmen rechnen kann.

Regierung will den Druck auf Steuersünder aufrecht erhalten

SPD, Grüne und Linkspartei sowie die Steuergewerkschaft kritisieren die Pauschalsteuer für die Vergangenheit als Ablasshandel. Die Regierung benötigt für das Steuerabkommen nicht nur im Bundestag eine Mehrheit, sondern auch im Bundesrat. Tatsächlich liegt die Pauschalsteuer weitaus niedriger als der Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Die Regierung hält den Steuersatz von 19 bis 34 Prozent dennoch für angemessen. Tatsächlich kann dieser Steuersatz je nach Einzelfall durchaus erheblich sein. Wer seine Kapitalerträge ordnungsgemäß versteuert, zahlt Steuern etwa für die laufenden Zinsen oder Gewinne.

Bei der Pauschalbesteuerung ist jedoch das in der Schweiz angesammelte Kapital maßgeblich. In der Vergangenheit waren in Deutschland einige Anlageformen begünstigt: Das gilt etwa für Dividenden, die früher nur zur Hälfte zu versteuern waren. Kursgewinne von Aktien waren in bestimmten Fällen früher steuerfrei. Bei der nachträglichen Steuerpauschale wird dies nicht berücksichtigt. Die Bewertung fällt je nach Anlage unterschiedlich aus. Die Regierung will den Druck auf Steuersünder aufrecht erhalten: Um zu verhindern, dass neues unversteuertes Geld in die Schweiz fließt, müssen Schweizer Banken deutschen Behörden Auskünfte bei Verdacht auf Steuerhintergehen geben. In zwei Jahren dürfen die deutschen Behörden bis zu 999 Anfragen stellen. Für die Information, ob jemand ein Konto in der Schweiz besitzt, müssen Behörden nur den Namen nennen.