Der
ehemalige Präsident des FC Bayern München hat die Hälfte seiner Strafe verbüßt und könnte im März freikommen. Will er dann in München noch einmal an- und eingreifen?

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Manchmal kreuzen sich die Lebenslinien von Menschen auf merkwürdige Weise. Gestern zum Beispiel wurde in den Sportteilen – und manchmal auch im Feuilleton (FAZ) – an den wuselndsten, barockesten und unberechenbarsten aller deutschen Fußballstürmer erinnert, den kleinen, großen Gerd Müller, der siebzig Jahre alt geworden ist. Wie das so sein muss, wird dann größtenteils erinnerungsselig geschwelgt: Weißt du noch, wie er den Ball 1970 beim Halbfinale mit dem dicken Zeh über die Linie bugsierte, gegen Italien, weißt du noch? Der ziemlich fußballferne, aber gerissene Dramatiker Heiner Müller erzählt gerne, dass er in Mexiko auf Reisen immer behauptete, er sei der Bruder von Gerd Müller. Er habe dann immer tolle Karten gehabt.

 

Der Antrag erfüllt die rechtlichen Voraussetzungen

Es ist dann aber, wie man allen „Weißt-du-noch“-Stücken deutlich anmerkte, gar nicht so leicht, an einen zu erinnern, der selber, weil an Alzheimer erkrankt, über wenig bis gar kein Erinnerungsvermögen mehr verfügt. Andererseits war es, neben Müllers rundem Geburtstag auch ein Tag, an dem einem noch einmal die Zusammenhänge klar wurden zwischen drei Gestalten des deutschen Fußballs, die eine lange Zeit nebeneinander im Zentrum standen. Jetzt stehen sie, jeder für sich, im Abseits: Der siebzigjährige Gerd Müller ist krank. Der siebzigjährige Franz Beckenbauer lebt als deutscher WM-Beschaffer und Freund von Joseph Blatter in einer Zone des Zwielichts. Und Uli Hoeneß, der dritte aus dem damaligen Bunde (sie spielten bis zum Sommer 1976 zusammen beim FC Bayern), ist noch wegen der Hinterziehung von 28,5 Millionen Euro Steuern inhaftiert. Dreieinhalb Jahre hatte 2014 das Strafmaß gelautet. Davon wäre die Hälfte im März 2016 verstrichen, und Uli Hoeneß’ Anwaltschaft hat das Naheliegende in diesem Fall getan: beantragt wurde die vorzeitige Entlassung nach Verbüßung der halben Haftstrafe.

Die nötigen Voraussetzungen nach Paragraf 52, Absatz 2, Nummer 2 des Strafgesetzbuches erfüllt Hoeneß. Die Steuerhinterziehung, deren Veröffentlichung sein Rücktritt als Präsident des FC Bayern und ein aufsehenerregender Prozess am Münchner Landgericht folgten, war seine erste Straftat. Zudem ist die Sozialprognose positiv. Schon seit Anfang des Jahres ist Hoeneß Freigänger, schläft öfter daheim und arbeitet durch behördliches Entgegenkommen für die Jugendabteilung jenes FC Bayern München, den er seinerzeit aus einem verschuldeten Club zu Europas Branchenprimus in der Hochkapitalismuskickerei machte. Einem Massenauflauf vor Gefängnistoren steht also am 2. März 2016 nichts mehr im Wege.

Spekulationen über Hoeneß’ weitere Pläne

Eine schwerer zu beantwortende Frage ist, was Uli Hoeneß, der oft der jüngste beim großen Erfolg gewesen ist und gerade mal 64 Jahre zählen wird, wenn er die Haftanstalt in mutmaßlich besserer körperlicher Form als bei seiner Ankunft verlässt, mit seinem weiteren Leben vorhat. Als Präsident führte er den Club, dem er zuvor als Manager auf die Sprünge geholfen hatte, lediglich fünf Jahre lang, und viele Wegbegleiter konnten sich nach seiner letzten Rede 2014 auf der Mitgliederversammlung dem Eindruck kaum entziehen, es verabschiede sich der Club-Boss sowohl mit einem Verspechen wie mit einer halben Drohung.

Hoeneß nämlich sagte zu diesem Anlass, „wenn ich zurück bin, werde ich mich nicht zur Ruhe setzen“, wie auch: „Das war’s noch nicht.“ Sein Nachfolger Karl Hopfner jedenfalls hat schon damals versichert, er trete „gewiss nicht gegen Uli Hoeneß an“, wenn Uli Hoeneß noch einmal antrete. Naturgemäß blühen seit dem Antrag auf vorzeitige Haftentlassung die Spekulationen. Die Zeit wird es richten.