Politiker in Deutschland verurteilen die Nennung von Namen mutmaßlicher Steuerhinterzieher durch die Schweiz. Selbst die eidgenössische Steuerverwaltung nennt das Vorgehen „speziell“.

Frankfurt - Deutsche Politiker kritisieren die Praxis der Schweizer Steuerbehörde, die Namen vermeintlicher Steuerhinterzieher auf einer öffentlich zugänglichen Internetseite zu veröffentlichen. „Das geht einen Schritt zu weit“, sagte der EU-Abgeordnete der Grünen, Sven Giegold, am Dienstag. Schließlich seien die Betroffenen nicht verurteilt. „Die Schweiz sollte die ausländischen Behörden korrekt und vollständig informieren, statt auf diese Weise in die Bürgerrechte einzugreifen.“

 

Die Schweizer Steuerverwaltung hatte ihre Vorgehensweise am Wochenende in der Schweizer „Sonntagszeitung“ damit gerechtfertigt, dass sie von Amtshilfegesuchen der Steuerfahnder in vielen Ländern überhäuft würde. Da sie Betroffene darüber informieren müsse, bleibe ihr nichts übrig, als Betroffene neuerdings auf diesem Wege darüber in Kenntnis zu setzen.

Viele Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Russland, wollen wissen, wie viel Geld vermeintliche Steuerbetrüger in der Alpenrepublik vor dem heimischen Fiskus verstecken. Aber: „Es ist schon speziell, dass man den Namen einer von einem Amtshilfeersuchen betroffenen Person outet“, räumte selbst Alexandre Dumas von der Eidgenössischen Steuerverwaltung ein. Auch der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) hatte sich kritisch geäußert: „Beim Kampf gegen Steuerhinterziehung geht es nicht darum, einzelne an den Pranger zu stellen, sondern darum, Gerechtigkeit im Sinne der großen Mehrheit der ehrlichen Steuerzahler herzustellen.“ Die Schweizer Praxis erscheine zumindest verwunderlich, zumal das Land bisher nicht gerade als Hort der Transparenz bekannt gewesen sei. Zahlen zu Verfahren oder Vergleichszahlen aus früheren Jahren konnte das Finanzministerium in Stuttgart nicht nennen.

Nordrhein-Westfalen will die Namen überprüfen

Dennoch will das Land Nordrhein-Westfalen, das schon früher mehrere illegale CDs mit den Namen möglicher Steuerhinterzieher gekauft hat, die von der Schweiz veröffentlichten Namen überprüfen. „Der Weg, den die Schweizer Steuerbehörde jetzt beschreitet, ist in der Tat speziell. Wenn die Schweiz Namen von Bundesbürgern im Zusammenhang mit möglichen steuerlichen Unregelmäßigkeiten nennt, müssen und werden unsere Behörden dem aber nachgehen“, ließ der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) mitteilen. Gleichzeitig betonte Walter-Borjans jedoch: „In Deutschland gelten Steuergeheimnis und Unschuldsvermutung.“ In ähnlicher Weise beschweren sich die SPD-Kollegen aus Hannover. Der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach sagte, die Veröffentlichung stelle eine „Verletzung des Steuergeheimnisses“ dar. „Wenn es Verdachtsfälle gibt, so sind diese im Falle Deutschlands ausschließlich den deutschen Finanzämtern mitzuteilen“, sagte Michelbach. Das Internet-Portal des Schweizer Bundesblatts zeigt frei zugänglich zahlreiche „Mitteilungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) – Amtshilfe“. Darin wird jeweils unter Nennung des Namens, teilweise des Geburtsdatums und der Staatsangehörigkeit eines Betroffenen mitgeteilt, dass die Schweiz den Steuerfahndern anderer Länder Amtshilfe leisten werde. Und dass dagegen innerhalb einer bestimmten Frist Rechtsmittel möglich seien. Genannt werden zudem zahlreiche Firmen mit Namen und Land des Hauptsitzes.

Dabei tauchen nicht nur Namen deutscher Staatsbürger auf, sondern auch von Menschen aus anderen Ländern. Auffallend dabei ist, dass von US-Bürgern nur die Initialien veröffentlicht werden, während sonst der volle Name, sowie das Geburtsdatum oder bei Firmen weitere Einzelheiten genannt werden.

Unter den deutschen Namen dagegen findet sich unter anderen Francisco Jose Ortiz von Bismarck (35), der Ururenkel des ersten Deutschen Reichskanzlers. Zu finden sind auch eine Münchnerin, drei Nürnberger und ein weiterer Bayer. Neben Namen aus Deutschland sind solche aus Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Polen, Tschechien und Russland, oder Indien dabei.