Der US-Präsident will Obamacare zugunsten der Steuerreform opfern. Der Doppelschlag könnte sich für Trump rächen, meint USA-Korrespondent Karl Doemens.

Washington - Bevor der letzte Chip verloren ist, setzt der Roulettespieler alles auf eine Chance: Schwarz oder Rot. Entweder verdoppelt sich der Einsatz, oder es ist aus. So ähnlich agieren jetzt die Republikaner von US-Präsident Donald Trump. Zehn Monate lang hat die Partei gesetzgeberisch praktisch nichts auf die Reihe bekommen, die Gesundheitsreform scheiterte am Widerstand der eigenen Leute. Wenn auch noch die Steuerreform gegen die Wand fährt, sieht es bei den Zwischenwahlen 2018 finster aus für viele Abgeordnete.

 

Also soll das Vorzeigeprojekt der Konservativen durchgepeitscht werden – koste es, was es wolle. Die Umsetzung eines derart komplexen Vorhabens mit einem gigantischen Volumen von 1,5 Billionen Dollar (1300 Milliarden Euro) binnen Wochen ist schon handwerklich kaum sauber zu leisten. Das Tempo macht schwindelig – und offenbar ist genau das gewollt. Wie anders kann man erklären, dass die Republikaner ernsthaft das Gesundheitssystem Obamacare zerstören wollen, um ihre Steuergeschenke für Unternehmen und Gutverdiener zu finanzieren?

Ist der Schachzug tatsächlich genial?

Konservative Strategen mögen die Verknüpfung der beiden Gesetze für einen genialen taktischen Schachzug halten: Der de-facto-Zwang zur Krankenversicherung ist bei ihren Wählern unbeliebt, und die Aussicht auf einen dicken Scheck vom Finanzamt wirkt verlockend. Tatsächlich würde die Abschaffung der Versicherungspflicht zu einer dramatischen Risiko-Entmischung führen. Wenn aber nur noch die Alten und Kranken eine Police abschließen, bricht das System irgendwann zusammen. Auf der anderen Seite dürfte die steuerliche Entlastung der Privathaushalte viel geringer ausfallen, als es die niedrigen Steuersätze vermuten lassen. Im Gegenzug sollen nämlich die bisherigen Abzugs- und Abschreibemöglichkeiten für lokale Steuern, Studiengebühren oder Hypothekenzinsen drastisch beschnitten werden.

Unter dem Strich werden keineswegs alle Amerikaner von der Reform profitieren. Wenn aber die ersten Trump-Wähler realisieren, dass sie kaum mehr Netto in der Tasche haben und keine bezahlbare Police für ihre kranken Kinder finden, während ihr Präsident jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag an Steuern spart, könnte der Doppelschlag der Republikaner zum politischen Bumerang werden.