Es mangelt an öffentlichen Plätzen, an denen Frauen ihrem Baby beruhigt die Brust geben können. Bislang versucht im Landkreis Esslingen nur eine einzige Kommune Abhilfe zu schaffen. 37 Kooperationspartner sind bereits gefunden.

Filderstadt - Ist Stillen in der Öffentlichkeit nun selbstverständlich oder nicht? Eine Frage, die viele Mütter umtreibt und verunsichert. Die, die sich öffentlich trauen, müssen nicht selten mit blöden Reaktionen rechnen. In Filderstadt geht man daher seit kurzem in die Offensive. Von Herbst an will die Stadt als einzige stillfreundliche Kommune in den Landkreis Esslingen strahlen.

 

Kommentare, Augenverdrehen oder unangenehme Blicke: laut der Filderstädter Gleichstellungsbeauftragen, Susanne Omran, stoßen Mütter beim Stillen auf diverse Widrigkeiten. Aus einer nicht repräsentativen Umfrage weiß sie, dass die meisten Frauen ein schlechtes Gefühl befällt, wenn sie ihrem Kind öffentlich die Brust geben müssen. Denn selten bietet der Ort, an dem sie sich gerade befinden, optimale Bedingungen. „Bei schlechtem Wetter spitzt sich die Suche nach einem geeigneten Platz oft zu. Bei Regen etwa setzen sich manche zum Stillen ins Auto“, betont sie.

Der Missstand lies Inge Heine aktiv werden

Die Stillbeauftragte der Filderklinik, Inge Heine, weiß gar von Fällen zu berichten, in denen Frauen auf die Toilette verwiesen wurden. „Das ist ein Ort für Ausscheidungen und nicht einer, an dem man seinem Kind zu essen gibt“, betont sie. Und so bedeutet die Suche nach einem Stillort oft reinen Stress. Und der ist laut der Expertin schädlich für die Betroffene: „Wenn das Adrenalin steigt, gehen die Stillhormone zurück. Dann geht auch die Milchbildung zurück, oder es kommt zum Milchstau.“

So ist die Diskrepanz zwischen der allgemeinen Erwartung, dass Frauen stillen sollen, der fehlenden Möglichkeiten sowie der Akzeptanz auffallend groß. Das war laut Inge Heine nicht immer so. „Als ich 1985 Mutter wurde, gab es die Stillgruppen. Wir hatten damals auch weniger Scheu“, erinnert sie sich. Warum das Thema so eine Kehrtwende erlebt, kann sich Heine allerdings nicht erklären.

Und so ließ der Missstand Heine vor zwei Jahren aktiv werden. Sie kontaktierte die Filderstädter Stadtverwaltung mit ihrer Idee – und stieß auf Zustimmung. Susanne Omran sagt, es sei wichtig, dass die Kommunen selbst aktiv werden. Unter ihrer Projektleitung beschäftigt sich ein Arbeitskreis in Filderstadt mit der Aufgabe, die Stadt stillfreundlich zu machen. Im Oktober, während der internationalen Welt-Stillwoche, will man das Projekt öffentlich vorstellen. Dann sollen Aufkleber die Türen von Einzelhändlern, Kitas, Apotheken, Arztpraxen oder Gaststätten markieren, die einen Stillraum haben. „Wir haben bereits 37 Kooperationspartner“, sagt Omran. Doch es sollen noch mehr werden. Deshalb wartet sie nicht einfach darauf, dass willige Unterstützer sich bei ihr melden, sondern geht auch aktiv auf Gaststätten und andere Einrichtungen zu. Die Reaktionen auf Omrans Anfragen teilen sich in zwei Lager. „Die einen finden es gut und selbstverständlich, andere antworten uns einfach nicht“, fasst sie zusammen.

Hoffnung, dass weitere Kommunen im Landkreis folgen

Ein Stillraum sollte in erster Linie einen Sitz mit Lehne und ordentlich, sauber, hell und ruhig sein. „Optimal ist es, wenn Tücher und Trinkwasser vorhanden sind“, sagt Omran. Wichtig sei für die Frauen eine intime Atmosphäre. Klar könne nicht jeder einen zusätzlichen Raum zur Verfügung stellen. Aber schon ein eine ruhige Ecke mit einem Paravent reiche.

Als Vorbilder dienen den Initiatorinnen Städte wie Calw oder Hanau. Alles Orte, die nicht gerade um die Ecke liegen. Warum im Landkreis noch keine Stadt mit einer ähnlichen Initiative begonnen hat, kann Omran sich nicht erklären. Laut dem Esslinger Pressesprecher, Roland Karpentier, ist keine entsprechende Initiative geplant. Aber: „In Esslingen konzentriert sich eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Fachämtern, Organisationen und Akteuren bis zum Klinikum Esslingen auf gezielte Angebote und Aktionen für Frauengesundheit.“ Die Frauen aus Filderstadt hoffen, dass andere Kommunen ihrem Beispiel folgen werden.