Ludwigsburger Promis sind schockiert vom guten Wahlergebnis der AfD. Sie äußern ihre Enttäuschung aber auch ihre Hoffnung nach der Bundestagswahl.

Ludwigsburg - Ich habe gestern Abend erst mal eine Flasche Frustwein getrunken“, sagt Volker Kugel, Direktor des Blühenden Barocks. Dass die AfD nun drittstärkste Partei in der Republik geworden ist, habe ihn fassungslos und ratlos gemacht. „Ich kann die vielen Protestwähler vor allem hierzulande nicht verstehen“, sagt Kugel, „in Baden-Württemberg geht es uns dermaßen gut.“ Dagegen hat MHP-Riesen-Vereinschef Alexander Reil für sich eine Antwort gefunden: „Das Ergebnis zeigt deutlich, wie weit sich Politik in Deutschland von den Menschen entfernt hat.“ Jetzt hätten die Parlamentarier durch die vielen Protestwähler, die für die AfD gestimmt haben, die Quittung dafür bekommen. Sibylle Knauss, Film AK-Dozentin und mit mehreren Preisen ausgezeichnete Romanautorin macht Angela Merkel für den Rechtsruck verantwortlich: „Sie hat das provoziert und trägt die Verantwortung für das Erstarken der AfD, indem sie allen anderen Parteien der Mitte den Wind aus den Segeln genommen und ihre Projekte für sich usurpiert hat.“

 

Das Konzept „Germany first“

Reil meint außerdem: Ähnlich wie in den USA hätten sich viele Wähler für das Konzept „Germany first“ – „Deutschland zuerst“ – entschieden. In diesem Sinn verkündete Spitzenkandidat Alexander Gauland: „Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ „Ich frage mich aber, welches Deutschland will die AfD zurückhaben?“, sagt Thomas Wördehoff , Leiter der Schlossfestspiele. „Das ohne Hip Hop und Apple, das von Adenauer?“ Vermutlich kein Land, in dem sich Erstwähler und Popsternchen Danyiom Mesmer wohlfühlen würde. Er hat im Jahr 2014 bei der Casting-Show „The Voice Kids“ gewonnen. „Ich bin froh und dankbar, dass wir hier in Deutschland den Luxus haben, wählen gehen zu dürfen. Aber dass die AfD so viele Stimmen bekommen hat, schockt mich sehr“, sagt er.

„Immerhin haben über 80 Prozent der Bevölkerung die AfD nicht gewählt“

Alle Befragten sind sich darüber einig, dass die AfD keine Lösungen und Konzepte für die eigentlichen Probleme Deutschlands wie Altersarmut, rückständige Digitalisierung oder fehlenden Wohnraum in Städten habe. „Das Gejammere darüber finde ich heute, nachdem ich eine Nacht über meine eigene Aufregung geschlafen habe, aber schon wieder überflüssig“, sagt Wördehoff. Das Augenmerk werde nämlich auch nach der Wahl noch immer viel zu stark auf die AfD gelegt, gebe der Partei vor allem in den Medien zu viel Raum. „Immerhin haben über 80 Prozent der Bevölkerung die AfD nicht gewählt.“ Die Aufmerksamkeit auf die Protestpartei lenke also auch nach der Wahl von den Problemen ab, die es tatsächlich zu bewältigen gelte – und dies nun vielleicht mit einer besonders bunten Koalition. „Ich glaube Jamaika wäre eine Riesenchance“, sagt der Intendant und hofft auf echte Auseinandersetzungen. „Jetzt bräuchten wir einen Heiner Geißler, der vermittelt.“ Dass sich die betreffenden Parteien zusammenraufen, davon geht Landrat Rainer Haas aus: „Was hätte man denn von einer Wiederwahl, noch mehr strategische Wechselwähler?“

Klimaschutz gegen Klimaflüchtlinge

Damit dass durch die bunte Koalition wieder mehr Schwung in die Politik kommt, rechnet auch Sibylle Knauss: „Bei allen Vorbehalten gegen die AfD begrüße ich es, dass mehr Leben ins Parlament kommt und die lähmende Müdigkeit des ‚Hohen Hauses’ aufgemischt wird. Die Entscheidung der SPD in die Opposition zu gehen, befürworte sie voll und ganz. Auch Oberbürgermeister Werner Spec sieht Potenzial in einer Schwarz-Gelb-Grün-Koalition. Themen wie Umwelt- und Klimaschutz oder ein Zuwanderungsgesetz seien bisher vernachlässigt worden. Die Unterstützung des weltweiten Klimaschutzes trage aber dazu bei, dass es künftig weniger Klimaflüchtlinge gebe. Und: „In Zeiten des Fachkräftemangels brauchen wir Menschen, die hier arbeiten und sich integrieren wollen und damit auch in unsere Sozialkassen einzahlen.“

Wördehoff bringt die aktuelle Befindlichkeit wohl vieler Wähler auf den Punkt: „Einerseits bin ich jetzt besorgt, andererseits aber sehr neugierig.“