Die amerikanische Videokünstlerin Danielle Adair ist derzeit Stipendiatin der Akademie Schloss Solitude.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Danielle Adair ist ein Augenmensch. Neugierig tastet sie unablässig ihre Umgebung ab. Jede Information, und sei sie noch so nebensächlich, scheint von diesen irritierend hellen, graublaugrünen Augen erfasst, im Gehirn abgespeichert und verarbeitet zu werden, um dann irgendwann in einem Kunstprojekt zu münden. Dabei ist Danielle Adair keine Jägerin, im Gegenteil, sie wartet ab, sie ist eine Beobachterin, eine Sammlerin, sie sammelt Augenblicke.

 

Wenn die US-Künstlerin ihre Arbeitsweise beschreiben soll, zögert sie lange, sucht nach dem passenden Beispiel und sagt dann: „In Afghanistan bin ich mit den Soldaten einfach so rumgehangen.“ Dieser Satz überrascht und klingt irgendwie zu beiläufig, fast schon kokett. Niemand fliegt nach Afghanistan, um dann einfach mit den Soldaten dort rumzuhängen. Der Aufenthalt in einer Kriegszone muss minutiös vorbereitet werden, Pläne wollen gemacht und Ziele abgesteckt sein.

Mit dem US-Militär in Afghanistan

Aber Danielle Adair hat genau das getan, was sie gesagt hat. Sie ist mit dem Tross einer US-Militäreinheit in das Land gefahren und hat mit offenen Augen das Leben der Soldaten in einem Camp in der Nähe der Stadt Dschalalabad mehrere Wochen lang beobachtet. „Wie ein Schatten“ habe sie sich an die Fersen vor allem der Frauen in Uniform geheftet, erzählt Danielle Adair. Die Künstlerin wusste allerdings von Anfang des afghanischen Abenteuers an, was sie auf keinen Fall machen wollte: eine Dokumentation. Aus diesem Grund hat sie auch darauf verzichtet, irgendwelche Videoaufzeichnungen von ihrem Aufenthalt zu machen. Adair: „Ich war mitten in einer guten und aufregenden Geschichte. Ich musste nur meinen Augen und meiner Intuition folgen und darauf vertrauen, dass ich die Dinge finden werde, die für das Projekt wichtig sind.“

In Afghanistan tauchte die junge Künstlerin in eine für sie völlig fremde Welt ein. Das Militär mit all seinen sichtbaren und unsichtbaren Vorschriften und Regeln faszinierte sie ebenso wie der eigene Kontrollverlust während der Zeit in Afghanistan. „Ich musste mich mit Haut und Haaren diesem System anvertrauen“, erzählt Danielle Adair – eine Erfahrung, die sie zu ihrem eigenen Erstaunen als nicht völlig verabscheuenswürdig empfand.

Der Welt einen Sinn geben

Die Materialsammlung für ihr Projekt endete mit der Heimkehr der Soldaten nach Fort Hood in Texas. Danach arbeitete sie monatelang an der Übersetzung ihrer Eindrücke in eine künstlerische Darstellungsform. Als Ergebnis präsentierte sie unter anderem im Jahr 2009 die Arbeit „First Assignment“ (Erste Aufgabe) – eine Serie von Videos, Performances, Installationen und Literatur, in der sie ihre Erfahrungen mit verschiedenen Mitteln wie eine Collage zusammenfügt.

„Meine Kunst ist mein Weg, der Welt einen Sinn zu geben“, erklärt Danielle Adair ihre Motivation und räumt dann ein: „Das habe ich aber erst sehr spät erkannt.“ Nach ihrem Studium in Bildender Kunst und Human Development arbeitete die 1981 in einer kleinen Stadt am Michigansee geborene junge Frau zuerst ein Jahr in Tschechien als Englischlehrerin. Dann nahm ihr Leben allerdings eine radikale Wendung. In ihr war die Überzeugung gereift, dass Kunst der eigentlich richtige Weg für sie sei. „Ich habe das irgendwie gefühlt“, sagt Danielle Adair, wirklich erklären kann sie dieses Gefühl nicht.

Sie durchstreift die Welt und sammelt Eindrücke

In diesem Sinne spiegelt sich ihr eigenes Leben in ihrer Kunst wider: auf der einen Seite denkt Danielle Adair in intellektuell höchst komplexen Zusammenhängen, auf der anderen Seite ist sie aber auch bereit, die Kontrolle aufzugeben und Dinge einfach passieren zu lassen. Dazu gehört auch, so erzählt Adair, dass sie an der Kunsthochschule eher zufällig „über eine Videoklasse stolperte“. Sie spürte sofort: „Video ist der Weg, wie ich denke, die Kombination von visuellen Eindrücken und Text.“ Also schrieb sie sich 2005 am California Instiute of Arts ein und machte zwei Jahre darauf einen Abschluss als Master in Visual Arts und Creative Writing.

Seitdem streift Danielle Adair durch die Welt und sammelt Eindrücke, um sie in Kunst zu übersetzen. Dieser „Input“ sei wichtig, sagt sie, wehrt sich aber gegen den Eindruck, sie sei eine Art Kunstjunkie, der immer auf der Suche nach dem nächsten, noch intensiveren emotionalen Kick ist. Auch wenn das Afghanistan-Abenteuer anderes vermuten lasse, „ich brauche das nicht“, sagt sie, „aber ich finde es interessant, mich umzusehen“. In diesem Sinne ist das Jahr in der Solitude eine ganz neue Erfahrung für sie. Sie hofft, in dieser Zeit der Ruhe ihren angehäuften Erfahrungsschatz sortieren zu können und einige ihrer bereits in Angriff genommenen Arbeiten beenden zu können.

Besonders am Herzen liegt Danielle Adair ihr „Mauer-Projekt“, in dem sie ihre Philosophie des „sich Umsehens“ konsequent umsetzt. Als Touristin reist sie dorthin, wo Mauern das Leben der Menschen bestimmen. Die Idee dazu sei in Belfast geboren worden, erzählt die Künstlerin, wo sie vor zwei Jahren einige Zeit gelebt hat und die Trennung der Stadt jeden Tag erfahren hat. Danach besuchte sie natürlich Berlin und die Grenze zwischen den USA und Mexiko, wo ein viele Meter hoher Metallzaun Amerika vor illegalen Einwanderern schützen soll. Entstanden ist bisher eine Arbeit unter dem Titel „On the Rocks. In the Land“, die aber noch nicht fertig sei. Sie plane in den nächsten Monaten noch nach Israel zu fliegen, um sich die Mauer zu den Palästinensergebieten anzusehen. Wohin genau sie gehen wird, weiß sie noch nicht, auch nicht, was sie genau machen wird. Auch bei der Arbeit an diesem Projekt handelt sie nach dem Motto: Zu viele Informationen verstellen bisweilen den Blick auf das Wesentliche.