Viele ausländischen Fachkräfte arbeiten nicht in ihrem erlernten Beruf. Das soll sich ändern. Die Landesstiftung unterstützt mit Stipendien Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse.

Stuttgart - Als Iwona O. Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland kam, arbeitete die gelernte Gastronomin jahrelang als Küchenhilfe. Inzwischen ist sie Teamleiterin in einem Restaurant – und ermuntert auf einer Broschüre der Industrie- und Handelskammern andere Einwanderer, ihre frühere Ausbildung anrechnen zu lassen. „Durch die Anerkennung meiner ausländischen Qualifikationen kann ich mich jetzt über einen unbefristeten Vertrag freuen“, berichtet die gebürtige Polin. Andere Einwanderer erzählen davon, dass sie bessere Jobs gefunden haben oder für ihre Arbeit besser bezahlt werden.

 

Die IHK Fosa (Foreign Skills Approval) in Nürnberg ist die zentrale Stelle für die Bewertung und Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen im Bereich der Industrie- und Handelskammern. Seit 2012 hat sie bundesweit die Ausbildung von fast 6200 Fachkräften vollständig anerkannt. Bei 3275 Antragstellern wurde sie teilweise akzeptiert, sagt Pressesprecher Stephan Treu. Da ist noch viel Luft nach oben. „Einige verzichten auf einen Antrag auf die gesetzliche Anerkennung ausländischer Abschlüsse, weil ihnen Zeit und Geld für das oft langwierige Verfahren fehlen, andere müssten zusätzlich noch vorgeschriebene Sprachkenntnisse erwerben“, sagt Christian Roth vom Ministerium für Soziales und Integration.

Einmalzahlung oder monatliches Stipendium

Um das zu unterstützen, hat die Landesstiftung Baden-Württemberg ein Stipendienprogramm ins Leben gerufen. „Es ist an der Zeit, unseren zugewanderten Mitbürgern im Land Zugang zu solchen Arbeitsplätzen zu ermöglichen, für die sie qualifiziert sind“. sagt Christoph Dahl, Geschäftsführer der Landesstiftung. Hier liegt Potenzial brach, und wir brauchen mehr denn je geeignete Fachkräfte.“

Interessierte können jetzt finanzielle Unterstützung für Maßnahmen beantragen, die ihnen bei der Anerkennung ihrer ausländischen Qualifikation helfen. Dafür stehen in den nächsten drei Jahren insgesamt zwei Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem Geld können Bewerber Übersetzungsgebühren für Zeugnisse, Gebühren für Deutsch- oder Überbrückungskurse, Lehrmaterialen oder auch Fahrt- oder Kinderbetreuungskosten bezahlen. Möglich sind Einmalzahlungen und monatliche Stipendien von bis zu 1000 Euro. Ein vergleichbares Programm gibt es bisher nur in Hamburg.

Bisher haben vor allem Personen einen Antrag gestellt, die die Anerkennung brauchen, um in ihrem gelernten Beruf arbeiten zu können. Das ist vor allem im Gesundheitswesen der Fall. Von den 2200 Verfahren, die 2014 in Baden-Württemberg beantragt wurden, kamen 1572 aus diesem Bereich. Auch wer als Lehrer, Erzieher oder Wissenschaftler arbeiten will, benötigt eine entsprechende Anerkennung.

Abschluss verbessert Arbeits- und Aufstiegschancen

Nützlich sei sie aber auch für Tätigkeiten in anderen Bereichen, weil die Mitarbeiter dann in der Regel bessere Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten haben, sagt Martin Frädrich, Geschäftsführer der IHK Region Stuttgart und Leiter der Abteilung Beruf und Qualifikation. „Das nützt dem einzelnen, aber auch den Unternehmen.“ Mit über rund 700 Anträgen liegt die Region auf Platz vier bundesweit. Das neue Stipendienprogramm sei eine wichtige Unterstützung, so Frädrich.

Über mangelndes Interesse kann sich das interkulturelle Bildungszentrum Mannheim (Ikubiz) nicht beklagen. Im vergangenen Jahr nutzten über 5150 Personen die Möglichkeit, sich dort beziehungsweise bei den anderen drei Beratungsstellen in Stuttgart, Ulm und Freiburg über ihre Chancen zu informieren, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Über die Hälfte hatte einen Hochschulabschluss, gut ein Drittel kam aus EU-Staaten, fast jeder zehnte war Flüchtling. 43 Prozent waren zwischen 25 und 35 Jahre alt, 60 Prozent waren Frauen. Für viele sind die Kosten ein großes Thema, sagt Koordinator Hüseyin Ertunc. Die belaufen sich bei der Fosa bei durchschnittlich 440 Euro. Sie können aber auch deutlich höher liegen, wenn jemand praktisch nachweisen muss, dass er etwa als Arzt oder Chemiker gearbeitet hat, weil er keine Zeugnisse vorlegen kann. Oder wenn jemand Zusatzkurse benötigt, um seine sprachlichen oder fachlichen Kenntnisse oder verbessern. Unter bestimmten Voraussetzungen fördern auch Arbeitsagentur oder Jobcenter das Verfahren.

Beratung

Das interkulturelle Bildungszentrum Mannheim (Ikubiz) ist eines von vier Beratungszentren, die kostenlos Beratung zur Anerkennung beruflicher Abschlüsse anbieten. Es übernimmt die Beratung und bearbeitet die Anträge für das Stipendienprogramm. Infos unter www.bwstiftung/berufliche-anerkennung-bw und www.ikubiz.de

Einwanderer, die in einem EU-Land einen Abschluss als Architekt, Arzt, Apotheker, Krankenpfleger, Hebamme, Zahn- oder Tiermediziner gemacht haben, erhalten diesen automatisch anerkannt. Voraussetzung ist, dass die Ausbildung nach einem bestimmten Stichtag abgeschlossen wurde.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.integration-in-stuttgart-die-zahl-auslaendischer-fachkraefte-steigt.c82e6700-e713-43de-87b0-3acd38d5ae99.html