Kultusminister Andreas Stoch hat sich klar zum Erhalt der Realschulen bekannt. Mehr als 400 Realschulen im Land sollen zum Schuljahr 2016/17 für die Förderung ihrer immer unterschiedlicheren Schülerschaft 500 Lehrerstellen mehr erhalten.

Stuttgart - Lange war die Zukunft der Realschulen beim Umbau des Schulsystems unsicher - nun hat sich Kultusminister Andreas Stoch (SPD) zu dieser Schulart bekannt. Er will sie mit zusätzlichen Millionen Euro ausstatten. Nach den Vorstellungen Stochs sollen die mehr als 400 Realschulen im Land zum Schuljahr 2016/17 für die Förderung ihrer immer unterschiedlicheren Schülerschaft 500 Lehrerstellen mehr erhalten. Erste zusätzliche Poolstunden zur individuellen Förderung soll es schon im Schuljahr 2015/16 geben. „Damit stellen wir sicher, dass Schüler der Realschule noch besser entsprechend ihrer Begabung unterrichtet werden können“, sagte der Minister am Donnerstag in Stuttgart.

 

Vom Jahr 2016 an sollen die Lehrer nach einer Orientierungsstufe in den Klassen fünf und sechs ab Klasse sieben in den Hauptfächern auf zwei unterschiedlichen Niveaus unterrichten, zum Teil innerhalb der Klassenzimmer, zum Teil in separaten Räumen. Stoch sprach von einem „leistungsdifferenzierten Kurssystem“, das die Lehrer vor Ort mit Leben füllen können.

Differenzierter Unterricht ist auch ab Klasse neun notwendig, weil die Jugendlichen künftig an der Realschule auch einen Hauptschulabschluss machen können. Die ersten Hauptschulabschluss-Prüfungen an Realschulen wären im Schuljahr 2020/12 möglich. Die Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Doro Moritz, begrüßte das als „ganz großen Schritt“. Nun gebe es einen klaren Weg, der verhindere, dass schwache Schüler zu Bildungsverlierern würden.

18 Prozent mit Gymnasialempfehlung

Derzeit müssen Schüler an Realschulen, die einen Hauptschulabschluss machen wollen, diese Prüfung an einer Haupt- oder Werkrealschule ablegen. 27 Prozent der Realschüler haben derzeit eine Grundschulempfehlung für die Werkreal- und Hauptschule. Der Chef der Arbeitsgemeinschaft der Realschul-Rektoren Kurt Pilsner sagte voraus, dass deutlich weniger als dieser Prozentsatz den Hauptschulabschluss ablegen werde. Denn es gebe „Mitnahmeeffekte“ durch den gemeinsamen Unterricht von stärkeren und schwächeren Schüler. 18 Prozent der Realschüler haben eine Gymnasialempfehlung.

Ursprünglich war geplant, in den kommenden beiden Jahren je 1800 Lehrerstellen über alle Schularten hinweg einzusparen. Es sei aber Aufgabe des Landes, wie in anderen Bundesländern auch den schulpolitischen Strukturwandel mit höchster Qualität vorzunehmen. Stoch: „Nirgendwo hat das zu großen Einsparungen geführt.“ Bei angenommenen Ausgaben pro Lehrer im Jahr von 55 000 Euro ergäben sich Kosten von insgesamt 27,5 Millionen im Jahr für das neue pädagogische Konzept, das von den Regierungsfraktionen bereits abgesegnet ist. Hinzu kommen noch Kosten für Lehrerfortbildung. Die Mittel will sich Stoch in einem Nachtragshaushalt für die Bildung im kommenden Frühjahr genehmigen lassen.

Grün-Rot strebt in der Schulpolitik ein Zwei-Säulen-Modell an, dessen eine Säule das Gymnasium ist. Lange war nicht klar, ob neben der Gemeinschaftsschule auch die Realschule zur zweiten Säule gehört - oder ob diese bewährte Schulart in der Gemeinschaftsschule aufgehen soll. Stoch räumte mit der Ankündigung jeden Zweifel daran aus, dass Realschulen weiter die Schullandschaft im Südwesten prägen. Die Forderungen der Realschulen nach Gleichstellung mit Gymnasium und Werkreal-/Hauptschule werden weitgehend erfüllt. Aus Sicht der FDP-Fraktion hat sich Stoch mit seinem Vorstoß von „einseitigen Vorgaben der bisherigen Bildungspolitik der grün-roten Koalition freigeschwommen“.

Die CDU-Fraktion schrieb sich die Pläne des Ministers auf die eigenen Fahnen. „Lange haben wir Druck auf Minister Stoch gemacht und versucht ihm klar zu machen, dass der geplante Weg der Regierung, die Realschulen aufzugeben und in die Gemeinschaftsschulen einfließen zu lassen, der falsche ist“, sagte Bildungsexperte Georg Wacker.