Vor einem halben Jahr hat EnBW gut 46 Millionen Euro bereitgestellt, die sie Kunden in Stuttgart zuviel abgeknöpft hatte. Tausende von Mietern warten aber noch immer darauf, dass sie endlich Geld zurückerhalten. Das liegt an manchen Vermietern.

Stuttgart - Tausende Stuttgarter Haushalte warten seit Monaten auf Geld von Vermietern für zu teuer bezahltes Wasser. Mieter des Wohnungsunternehmens Vonovia werden sich sogar noch bis Ende September gedulden müssen – dabei hat die Energie Baden-Württemberg (EnBW) längst an die Vertragskunden zurückbezahlt, was sie zu viel kassiert hatte.

 

Der Stuttgarter Monopollieferant habe missbräuchlich überhöhte Preise verlangt, hatte die Landeskartellbehörde 2014 reklamiert. Es folgte ein Gerichtsstreit – und dann eine Einigungauf rückwirkende Korrekturen im Zeitraum von August 2012 bis zum Silvestertag 2014. Gegenwert: 46,5 Millionen Euro.

Viele Haushalte haben schon Geld erhalten, andere aber nicht

Wer als Privathaushalt Kunde war, hat Geld zurückbekommen. Das gilt auch für Haushalte in kleinen und großen Mietshäusern – aber nicht für alle. Dass viele Haushalte bis heute auf ihre kleinen Anteile an den knapp 47 Millionen warten, liegt nicht an der EnBW, sondern an manchen Vermietern, besonders an denen mit großen Wohnungsbeständen – und manchmal auch an den Umständen. Denn die Rückgabe ist nicht immer einfach.

Das große Wohnungsunternehmen Vonovia (früher Deutsche Annington) ist wegen des Rückstandes nun in denkbar schlechtes Licht geraten. Der Konzern besitzt in Stuttgart rund 4600 Wohnungen, von denen die Masse einst der LBBW Immobilien GmbH gehörte. In einem spektakulären und politisch umstrittenen Deal gingen sie an das Augsburger Wohnungsunternehmen Patrizia AG. Diese hielt die erworbenen Wohnungen über die Firma Südewo, die dann mit gutem Gewinn an die Deutsche Annington verkauft wurde. Im Mieterkreis der 3600 Südewo-Wohnungen in Stuttgart ist nun der schwerwiegende Verdacht aufgekommen, dass die Verantwortlichen Gelder zurückbehalten wollten, die den Mietern zustünden.

Vonovia: Auszahlung nach Übernahme von Südewo schwierig

Ursache des Verdachtes: Die EnBW nimmt für sich in Anspruch, die überhöhten Wassergebühren im Oktober 2015 auf einen Schlag ausgeglichen zu haben. Auch die Südewo, meinen deren frühere Mieter, müsse die ihr zustehenden Gelder erhalten haben. Dabei dürfte es um eine nicht geringe Summe gehen. Ein Durchschnittshaushalt in Stuttgart, hieß es im vergangenen Jahr, werde eine Rückerstattung von gut 200 Euro zu erwarten haben. Bei einem Bestand von 3600 Wohnungen ergäbe das rund 720 000 Euro.

Der Vonovia-Konzern, der seinen Sitz in Bochum hat, liefert vorerst aber immer noch kein Geld, sondern nur Versuche von Erklärungen. Nicht im Oktober, sondern im November 2015 habe die EnBW die überhöhten Wassergebühren an die Südewo zurückgegeben, sagte Vonovia-Sprecherin Bettina Benner unserer Zeitung. Die Südewo-Mitarbeiter hätten es allerdings nicht mehr geschafft, „die Rückzahlungen aufzubereiten und sie vor der Übernahme der Südewo durch die Vonovia auszuzahlen“. Zurzeit würden die Erstattungen an die Mieter aber vorbereitet. Alle Mieter, die im Zeitraum von August 2012 bis Ende 2014 in einer Stuttgarter Südewo-Wohnung lebten, kämen in den Genuss davon, je nach konkretem Verbrauch oder Wohnfläche.

EnBW hat Rückzahlung planmäßig abgewickelt

EnBW-Sprecher Hans-Jörg Groscurth will zu dem konkreten Fall nichts sagen. Grundsätzlich sei es tatsächlich so gelaufen, dass etwa 99,99 Prozent der Millionensumme noch im Oktober ausbezahlt worden seien, und zwar auch an die Wohnungsunternehmen, die als Vertragskunden oftmals das Wasser für alle ihre Bestandswohnungen beziehen. Einzelne Kunden hätten Excel-Listen über die Wasserverbräuche in den Wohnungen angefordert, um die Rückzahlungen besser aufschlüsseln zu können. Einzelne solcher Listen, die auf Ablesewerten an den Wasserzählern in den Wohnungen basieren, seien zuletzt im April 2016 herausgegeben worden. Die Aufteilung des Rückzahlungsbetrags auf die Haushalte sei für große Wohnungsunternehmen durchaus aufwendig, sagte Groscurth.

Der Mieterverein Stuttgart beobachtet, dass momentan noch immer etwa ein Dutzend Mieter pro Monat anklopfen, die kein Geld erhielten. Weil der Bedarf in den vergangenen Monaten beachtlich war, hat der Verein ein Musterschreiben für Forderungen an Vermieter entworfen und eine Modellrechnung aufgestellt, wie eine korrekte Abrechnung auszusehen habe. Wenn Vermieter ihren Mietern wider besseres Wissen die Rückerstattung vorenthielten, wäre das „äußerst unanständig und als Unterschlagung zu werten“, sagt der Vereinschef Rolf Gaßmann. Konkret beschuldigt wird von ihm bisher aber niemand.

Viele betroffene Mieter sind längst weggezogen

Die großen Wohnungsunternehmen sind nach Gaßmanns Beobachtung auf sehr unterschiedliche Weise mit dem Thema umgegangen. Manche hätten den Mietern die Beträge unaufgefordert überwiesen, andere die Verrechnung mit der nächsten Betriebskostenabrechnung angekündigt, die meist im April oder Mai verschickt werde. „Dieses Verfahren finden wir auch in Ordnung.“ Manche Vermieter würden sich gar nicht regen. Für sie ist der Standardbrief des Mietervereins entworfen. Nicht selten gehe es aber um Mieter des Zeitraums August 2012 bis Ende 2014, die inzwischen anderswo leben und dem Vermieter keine Adresse hinterließen. „Man darf nicht vergessen, dass etwa ein Zehntel der Stuttgarter Bevölkerung pro Jahr umzieht“, sagt Gaßmann. Das wären also fast 60 000 Menschen.

Eine Pflicht, nach den früheren Mietern zu forschen, wenn sie unerreichbar sind, hätten Vermieter aber nicht, sagt Ulrich Wecker, Geschäftsführer von Haus und Grund Stuttgart. Bei Anfragen rate man von Suchaktionen ab.

Haus und Grund: Verwaltungsaufwand zu hoch

Auf die praktischen Probleme bei der Umsetzung des Vergleiches hatte Haus und Grund ähnlich wie der Mieterverein damals umgehend hingewiesen. Die Interessenvertretung der Immobilienbesitzer erkannte ein „grobes Missverhältnis“ zwischen dem Verwaltungsaufwand, der gerade auch kleinere Vermieter belaste, und der Höhe der absehbaren Rückzahlungen. Daher hatte Haus und Grund damals empfohlen, die EnBW solle das Geld einer Stiftung zukommen lassen. Dazu kam es aber nicht.