Der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking rechnet mit einem Freispruch im Strafverfahren vor dem Stuttgarter Landgericht. Bericht vom Prozessauftakt.

Stuttgart - Wendelin Wiedeking ist sichtlich angespannt, als er am Donnerstagmorgen den Saal 1 des Stuttgarter Landgerichts betritt. Flankiert von seinen Anwälten Hanns Feigen und Walther Graf passiert der frühere Porsche-Chef den Mittelgang zwischen den Zuhörerreihen, zieht rasch die linke Hand aus der Hosentasche, als er wohl merkt, dass man hier besser nicht so lässig auftritt. Anders als der ebenfalls angeklagte frühere Porsche-Finanzvorstand Holger Härter, der vorneweg geht, lächelt Wiedeking nicht, bringt ein knappes „Morgen“ heraus, als er vorbei an drei Justizbeamten die Stufe hinauf in den abgesperrten Bereich nimmt, der Richtern, Staatsanwälten, Verteidigern und Angeklagten vorbehalten ist.

 

Das Gericht hat mit einem großen Andrang gerechnet und den größten Saal mit rund 120 Sitzplätzen für den Strafprozess gegen die früheren Top-Manager reserviert, doch der Andrang hält sich in Grenzen. Die Staatsanwaltschaft wirft Wiedeking und Härter in der bereits vor drei Jahren erhobenen Anklage vor, dass sie im Übernahmekampf mit VW die Öffentlichkeit belogen, den Kurs der VW-Aktie manipuliert und damit Anlegern geschadet haben. Im Gesetzbuch heißt das „informationsgestützte Marktmanipulation“.

Die Vorstände haben zwischen dem 10. März und dem 2. Oktober 2008 laut Staatsanwaltschaft mindestens fünf Mal selbst oder über Sprecher dementiert, dass sie nach der Macht bei VW greifen. Die Staatsanwaltschaft glaubt jedoch beweisen zu können, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat damals heimlich bereits darauf geeinigt hatten, die Beteiligung deutlich aufzustocken und einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit VW abzuschließen.

Hedgefonds gerieten in Panik und verloren viel Geld

Zudem hat die Staatsanwaltschaft in diesem Jahr eine weitere Anklage nachgeschoben, in der sie den beiden vorwirft, auch eine sechste am 26. Oktober 2008 veröffentlichte Pressemitteilung sei irreführend gewesen. Damals hatte Porsche mitgeteilt, dass das Unternehmen die Beteiligung auf 75 Prozent aufstocken und damit die Weichen für einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag stellen will. Porsche enthüllte zugleich, dass das Unternehmen bereits den Zugriff auf insgesamt rund 74 Prozent abgesichert habe. Hedgefonds gerieten daraufhin in Panik. Sie hatten auf sinkende VW-Kurse gesetzt und sich bei Börsenwetten zur späteren Lieferung von VW-Aktien verpflichtet. Nun gewannen sie den Eindruck, dass kaum noch Aktien auf dem Markt frei verfügbar waren. Sie kauften deshalb Aktien ohne Rücksicht auf die Kosten, um ihre Lieferverpflichtungen erfüllen zu können. Der VW-Kurs explodierte. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Managern vor, diese Marktenge nur vorgespiegelt zu haben, weil Porsche in Wirklichkeit bald das Geld für die Blockade von VW-Aktien ausgegangen wäre.

Auch die Anwälte Josef Broich und Andreas Tilp hören den Ausführungen von Staatsanwalt Heiko Wagenpfeil zu, der meint, dass Porsche damals in der Bredouille steckte. Mit der überraschenden Pressemitteilung vom 26. Oktober haben Wiedeking und Härter nach dieser Darstellung die Hedgefonds ins Messer laufen lassen. Broich und Tilp vertreten eine ganze Reihe von Investoren, die nun Schadenersatz von Porsche wollen. Wendelin Wiedeking hat kein Mitleid mit den Börsenzockern und zeigt sich in seiner gut 80 Minuten dauernden Abrechnung mit den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft sehr angriffslustig, ja er unterstellt den Staatsanwälten wegen der in diesem Jahr nachgeschobenen zweiten Anklage sogar, Finanzhaien Hilfestellung zu leisten.

Wiedeking kritisiert die Staatsanwaltschaft

Denn Wiedeking mutmaßt, dass die Hedgefonds die Staatsanwaltschaft in diesem Jahr erst auf die Idee der weiteren Klage gebracht haben. „Mit dieser nachgeschobenen zweiten Anklage will die Staatsanwaltschaft die Hedgefonds offensichtlich unterstützen“, wettert Wiedeking. Denn im Strafprozess könnten etwa bei der Befragung von Zeugen neue Fakten bekannt werden, die den Anwälten der Börsenzocker dann neue Munition für die Schadenersatzprozesse liefern. „Meines Erachtens“, so Wiedeking, „hätte die Staatsanwaltschaft vor Erhebung der Anklage einmal kritisch hinterfragen sollen, auf welche Seite sie sich da geschlagen hat.“ Denn die Hedgefonds hätten die Wirtschafts- und Finanzkrise und wohl auch die Kursturbulenzen der VW-Aktie mit verursacht.

Wiedeking weist ebenso wie Härter sämtliche Vorwürfe der Staatsanwaltschaft mit Nachdruck zurück. „Ich habe mir in der Sache nichts vorzuwerfen und bin überzeugt, von den unhaltbaren Vorwürfen freigesprochen zu werden“, sagt Wiedeking. In gleichem Sinne äußert sich auch Härter.

Besonders intensiv beschäftigt sich Wiedeking mit dem Vorwurf, Vorstand und Aufsichtsrat hätten schon früh einen Geheimplan zur Machtergreifung bei VW geschmiedet. Porsche hatte 2005 erstmals angekündigt, bei VW einsteigen zu wollen und die Beteiligung dann Schritt für Schritt aufgestockt. Vor jedem Schritt, so Wiedeking, hätten viele Unwägbarkeiten neu bewertet werden müssen, sagt der frühere Porsche-Chef. Dabei rückt er insbesondere das Verhalten des ehemaligen VW-Patriarchen und Porsche-Miteigners Ferdinand Piëch in den Mittelpunkt. Es sei immer klar gewesen, dass jeder weitere Schritt nur mit dem Segen der Familie erfolgen könne. „Eine Festlegung der Familie auf einen geheimen Übernahmeplan hat es nicht gegeben“, beteuert Wiedeking. Der PS-Clan der Porsches und Piëchs hält sämtliche Stammaktien der Porsche Holding.

Piëch soll die Strategie von Porsche hintertrieben haben

Piëch hat sich nach Darstellung des früheren Porsche-Chefs schon sehr skeptisch gezeigt, als die Pläne zum Einstieg bei VW erstmals vorgestellt wurden. Im weiteren Verlauf soll er die Porsche-Manager dabei gebremst haben, mehr Einfluss auf den Wolfsburger Autokonzern zu bekommen. „Er hintertrieb offen unsere strategischen Überlegungen“, so Wiedeking. Über die Medien soll Piëch aus dem Hinterhalt Giftpfeile auf Wiedeking abgeschossen haben.

Erst auf Druck der Familie hat Piëch laut Wiedeking dann seinen Widerstand aufgegeben. In einer turbulenten Aufsichtsratssitzung habe Piëch am 20. Oktober 2008 zu Protokoll gegeben, er sei mit voller Überzeugung für eine Beherrschung von VW durch Porsche. Auf Verlangen von Porsche-Betriebsratschef und Aufsichtsrats-Vizechef Uwe Hück habe Piëch dies öffentlich in einem Zeitungsinterview bekräftigt. Erst mit dieser Kehrtwende sei eine von mehreren wichtigen Bedingungen für den Plan einer Aufstockung der VW-Beteiligung auf 75 Prozent und die Pressemitteilung vom 26. Oktober erfüllt gewesen.