Bisher galten bei den Grünen selbst kleinere Ausbaumaßnahmen auf der Nord-Süd-Straße zwischen der A 8 und Vaihingen als Tabu. Das scheint sich nun zu ändern: Der Wahlkreisabgeordnete und Verkehrsminister kann sich zumindest Optimierungen zu Gunsten des Autoverkehrs vorstellen.

Stuttgart - Normalerweise ist es für die örtlichen Parteigliederungen ein Grund zur Freude, wenn sich der Landtagswahlkreisabgeordnete zu einem vor Ort heftig diskutierten Thema zu Wort meldet. Weil der Wahlkreisabgeordnete in diesem Fall aber Winfried Hermann heißt, Mitglied der Grünen und im Brotberuf baden-württembergischer Verkehrsministerminister ist und sich für den partiellen Ausbau der Nord-Süd-Straße auf den Fildern ausspricht, verspricht das innerparteilich eine gewisse Brisanz.

 

Was war geschehen? In der vergangenen Woche hatte Winfried Hermann durch sein Abgeordnetenbüro eine Pressemitteilung versenden lassen. Darin betonte er einleitend, er habe die Verkehrsprobleme in seinem Wahlkreis stets besonders im Auge. Sodann plädierte Hermann zur Überraschung mancher Stuttgarter Parteifreunde für einen Umbau der 1999 eingeweihten Umgehungsstraße im Kreuzungsbereich mit der Vaihinger Straße. Er halte dies für möglich, um Blockadeverkehr zu vermeiden und auch dem Problem des Rückstaus auf der Autobahn 8 zu begegnen, so der Abgeordnete. Vorsorglich machte er klar, dass es ihm nicht um einen von der Wirtschaft mit Unterstützung von CDU, Freien Wählern und FDP immer wieder geforderten vierspurigen Ausbau der Straße gehe. Hermann betonte zugleich, es brauche auch mehr ÖPNV und mehr Schienenverkehr, um die Verkehrsprobleme auf den Fildern zu lösen.

Stuttgarter Grüne: Umbau nur in Kombination mit anderen Maßnahmen denkbar

Formuliert hat die Pressemitteilung einer seiner Mitarbeiter, der ehemalige Landtagsabgeordnete Nick Tschenk. Nebenbei ist Tschenk Chef des Möhringer Ortsvereins der Grünen, die sich jahrelang gegen Aus- oder Umbauvorschläge zur Wehr gesetzt hatten. Heftig umstritten waren selbst eher kleinteilige Ausbaumaßnahmen wie der mittlerweile teilweise realisierte Anschluss der Breitwiesenstraße an die Nord-Süd-Straße. Auch die Grünen-Fraktion im Rathaus hatte entsprechende Varianten regelmäßig in den Haushaltsberatungen der letzten Jahre abgelehnt.

Er hätte nicht gedacht, dass Hermann so offensiv mit dem Vorschlag an die Öffentlichkeit gehe, wunderte sich denn auch ein Parteifreund Hermanns im Rathaus. Noch im Juli hatte die Grünen-Fraktionschefin im Rathaus, Anna Deparnay-Grunenberg, öffentlich verlauten lassen, es sei „ein unsäglicher alter Reflex, zu denken, dass man mit Straßenausbau den Verkehr verflüssigt und vermindert“. Ein solcher Anachronismus sei in Zeiten von Feinstaub und Klimawandel unangemessen, denn, so zitierte Deparnay-Grunenberg eine alte Grünen-Position: „Mehr Straßen bringen mehr Verkehr.“ Die Aussage bezog sich freilich auf den vollständigen Ausbau der Straße. Aber auch die nun von Hermann präferierte Variante eines Kreuzungsausbaus an der Vaihinger Straße komme „nur in Kombination mit anderen Maßnahmen“ wie etwa dem Bau eines Park-and-ride-Parkhauses an der Einmündung der Autobahn auf die Nord-Süd-Straße oder der angedachten Seilbahn ins Gewerbegebiet Vaihingen/Möhringen infrage. „Alles andere wäre eine Einladung für die Autofahrer“, so die Grüne.

Aufsiedelung des Gewerbegebiets durch Daimler und Allianz erhöht den Druck

Mit dem Ausbau der Stadtbahnlinie U 12 nach Dürrlewang mit Haltestellen im Gewerbegebiet hat sich der Stau auf der Nord-Süd-Straße keineswegs aufgelöst. Der im Zuge des Projekts Stuttgart 21 geplante Regionalbahnhof in Vaihingen – von Hermann wärmstens befürwortet – wäre zwar ein zusätzliches Angebot für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel. Zugleich aber zieht die Ansiedelung von Daimler und der Allianz im sogenannten Synergiepark in Vaihingen auch mehr Verkehr ins Gewerbegebiet. Bei der Stadt ist daher auch schon seit Längerem ein Gesamtkonzept in Arbeit, das Optimierungen auf der Nord-Süd-Straße beinhaltet. Bislang waren Pläne für einen vierspurigen Ausbau an fehlenden politischen Mehrheiten gescheitert. Auch der Bau einer dritten Fahrspur zwischen Autobahn 8 und der Vaihinger Industriestraße, die im Wechselbetrieb je nach Verkehrsaufkommen befahrbar sein sollte, wurde als technisch zu aufwendig und finanziell nicht machbar verworfen.

Der nun von Winfried Hermann ins Spiel gebrachte Ausbau des Verkehrsknotens an der Vaihinger Straße ist von den städtischen Planern bisher allerdings nicht als größter Engpass auf der Route identifiziert worden. Ob davon überhaupt ein nachhaltig positiver Effekt zur Reduzierung der Staus zu erwarten sei, müssten weitere Untersuchungen klären, heißt es im Stuttgarter Rathaus. Derweil jubelt zumindest schon einmal die Möhringer CDU-Bezirksgruppe: Es sei positiv, dass der Ausbau der Nord-Süd-Straße endlich Unterstützung erfahre, „und das auch noch von einem grünen Verkehrsminister“.