Rund 2000 Landesbedienstete in Baden-Württemberg sind verunsichert: Der Bund will eine neue Bundesfernstraßengesellschaft gründen, die Planung und Bau der Autobahnen und Bundesstraßen managt.

Stuttgart - Die Einigung beim Länderfinanzausgleich ist von den Bundesländern erfreut begrüßt worden, doch sie ist mit einem wichtigen Zugeständnis an den Bund erkauft worden, das im allgemeinen Jubel fast unterging: Die 16 Länder werden dem Bund die Planung, den Bau und den Erhalt von Fernstraßen überlassen, auf jeden Fall die Autobahnen, als Option aber auch „übrige Bundesfernstraßen“ – also möglicherweise die vierspurigen Bundesstraßen.

 

Im Papier über die Einigung beim Länderfinanzausgleich, das das Bundesfinanzministerium herausgegeben hat, ist das Thema in wenigen Zeilen erläutert unter dem Begriff „Reform der Bundesauftragsverwaltung mit Fokus auf Bundesautobahnen und Übernahme in die Bundesverwaltung“. Es solle eine „unter staatlicher Regelung stehende privatrechtliche Infrastrukturgesellschaft Verkehr eingesetzt“ werden, heißt es in der Erklärung kurz.

Ein Wunschkind des Bundesfinanzministers

Unter dem Stichwort Bundesfernstraßengesellschaft ist diese Neuerung schon lange in der Diskussion, ein Wunschkind von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der sich private Geldströme für den Autobahnbau erhofft. Die Verkehrsminister der Länder hatten sich strikt dagegen gewehrt, auch Winfried Hermann (Grüne) aus Stuttgart, der auf die gute Arbeit der Bauingenieure und Planer in der Straßenbauverwaltung des Landes hinwies. Durch eine „riesige zentrale Straßenbaugesellschaft“ sei die effektive Abwicklung wichtiger Bauprojekte in Gefahr, die Länder verlören planerische Gestaltungskraft und der Bund habe bereits beim Schienenverkehr und den Bundeswasserstraßen gezeigt, wie „schwerfällig“ er selbst arbeite. Die Frage, wer die Personalkosten nach dem Tausch von Zuständigkeit und Personal trage, sei auch „völlig unklar“ – das war bislang noch die Position des Landes.

Am Dienstag erklärte der Landesverkehrsminister gegenüber unserer Zeitung, es gehe ihm in den anstehenden Verhandlungen über die neue Infrastrukturgesellschaft vor allem um eins: „Unser Ziel ist es, möglichst weitgehenden Einfluss insbesondere auf das Netz der „gelben“ Bundesfernstraßen zu behalten.“

In der Tat müssen Details noch verhandelt werden, bis der Weg für die Reform spätestens im Sommer 2017 mit einer Grundgesetzänderung frei gemacht wird. Nach der Bundestagswahl könnte es dann ernst werden. Eckpunkte wie „Zeitplan, Regelungen in der Übergangsphase, Übergang von Personal-, Pensions- und Sachmitteln“ müßten noch vereinbart werden, heißt es im Papier von Schäuble. „Dabei sollen die Interessen der Beschäftigten hinsichtlich Status, Arbeitsplatz und Arbeitsort beachtet werden.“ Die Personalvertretungen werde man einbinden.

Für die Gewerkschaft kam der Deal „völlig überraschend“

Für Thomas Maier, den stellvertretenden Landesvorsitzenden der Gewerkschaft für öffentliche Dienstleistungen, Technik und Naturwissenschaften (BTBkomba) klingt das alles wenig beruhigend. „Wir sind von dem Deal wirklich überrascht worden“, sagt Maier auf Anfrage, man sei bis dato davon ausgegangen, dass die Bundesfernstraßengesellschaft nicht kommen werde. Rund 1500 Mitarbeiter arbeiten in den vier Regierungspräsidien von Baden-Württemberg als Straßenbauer oder Planer – mehr als die Hälfte sind Beamte, der Rest Tarifbeschäftigte, aber alle sind Landesbedienstete. In den Autobahnmeistereien sind 410 Mitarbeiter – meist Tarifangestellte – beschäftigt. „Das Personal wird wechseln müssen. Die Leute machen sich wirklich große Sorgen und sind verunsichert“, sagt Maier. Der Gewerkschafter schätzt, dass bis zu 70 Prozent der Belegschaft künftig für den Bund tätig sein werden.

Unklar sei auch noch, wie die neue Gesellschaft aufgestellt sei und wie das „Private“ in öffentlicher Hand gemeint sei. Finanzminister Schäuble verlangt, dass sich Private an der Autobahngesellschaft beteiligen können, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) lehnt eine „Privatisierung“ bis dato aber ab. Heftige Kritik an dem zwischen Bund und Ländern vereinbarten Plan kommt vom Deutschen Beamtenbund (dbb): Volker Stich, stellvertretender ddb-Vorsitzender und Chef des Beamtenbundes Baden-Württemberg sagte unserer Zeitung, seine Organisation lehne die neue Gesellschaft und die damit verbundene Änderung des Artikels 90 des Grundgesetzes rundheraus ab. Die öffentlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge wären „damit in ihrem Bestand gefährdet“. „Das System der Auftragsverwaltung der Bundesstraßen und Autobahnen durch die Landesstraßenbauverwaltungen hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Die dort Beschäftigten haben trotz anhaltenden Personalabbaus stets kompetent und zuverlässig für Erhalt und Sicherheit der Bundesfernstraßen gesorgt.“ Es gehe nicht an, dass der Bund die Landesstraßenbauverwaltungen „zuerst kaputtspart und ihnen dann mangelnde Effizienz vorwirft“. Stich warnt auch vor einer „faktischen Teilprivatisierung der Straßeninfrastruktur“, dessen Risiken und Nebenwirkungen seien bisher nicht einmal ansatzweise angedacht worden.

Das Baugewerbe und der Autoklub ACE freuen sich

Sowohl der der Auto Club Europa (ACE) als auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes haben die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft begrüßt, da damit über Ländergrenzen hinweg effizient geplant werden könne. Die Gesellschaft sei als „schlanke Managementgesellschaft“ zu gestalten, die die Vor-Ort-Kompetenz der Länder sowie der Planungsbüros und Baufirmen nutze, sagt der Präsident des Baugewerbeverbandes, Hans-Hartwig Löwenstein. ACE-Präsident Stefan Heimlich erwartet, dass eine Bundesgesellschaft effizienter bauen und planen werde als die Länder: „Die Menschen haben genug von Schlaglöchern und Brückensperrungen“, sagte er.