Hat das Land Straßenbaugelder des Bundes leichtfertig liegenlassen? Grün-Rot weist das zurück und schiebt den Schwarzen Peter dem Bund zu. Für die Opposition ist das ein willkommenes Thema, um den grünen Verkehrsminister Hermann in die Mangel zu nehmen.

Hat das Land Straßenbaugelder des Bundes leichtfertig liegenlassen? Grün-Rot weist das zurück und schiebt den Schwarzen Peter dem Bund zu. Für die Opposition ist das ein willkommenes Thema, um den grünen Verkehrsminister Hermann in die Mangel zu nehmen.

 

Stuttgart - Die Opposition hat Verkehrsminister Winfried Hermann wegen nicht abgerufener Bundesmittel für den Straßenbau ins Kreuzfeuer genommen. CDU und FDP hielten dem Grünen-Politiker am Mittwoch im Landtag vor, sich nicht genügend um die Gelder bemüht zu haben und sich nun mit fadenscheinigen Argumenten aus der Affäre ziehen zu wollen. Politiker der Regierungsfraktionen wiesen die Vorwürfe zurück und beschuldigten insbesondere die CDU, bewusst die Öffentlichkeit zu täuschen und den Bürgern beim Straßenbau falsche Versprechungen zu machen. Hermann selbst attackierte vor allem den Bund. Dessen Straßenbaupolitik erschwere eine verlässliche Planung.

Hintergrund ist die Tatsache, dass das Land im vergangenen Jahr zwar insgesamt 830 Millionen Euro regulär vom Bund zugewiesen bekam, davon aber laut Hermann 15 Millionen Euro zurückgeben musste, weil das Geld nicht verbaut werden konnte. Die 15 Millionen Euro flossen in den Topf der „Ausgleichsmittel“, die der Bund dann zusätzlich den Ländern anbot. Im Gegensatz zu den Vorjahren profitierte Baden-Württemberg nicht von diesem Geldsegen, der nach CDU-Angaben bis zu 100 Millionen Euro hätte betragen können. Diverse CDU-Politiker hatten in den vergangenen Tagen aufgelistet, welche Projekte in Baden-Württemberg aus ihrer Sicht mit dem Geld hätten umgesetzt werden können.

Die CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi sah einen „Skandal ersten Ranges“, der mehr als nur peinlich für das Land sei. „Die Regierung untergräbt den Straßenbau. Sie lässt ihn ausbluten.“ Diese Politik schade den Menschen und dem Land. Dahinter stecke Unvermögen und Verweigerung. FDP-Verkehrsexperte Joachim Haußmann sprach von einer völlig verfehlten und ideologisch geprägten Straßenbaupolitik des Verkehrsministers. Die Frage sei, warum es etwa Bayern gelungen sei, rund 140 Millionen Euro zusätzlicher Mittel an Land zu ziehen - und Baden-Württemberg nicht. Die grün-rote Strategie, Straßenprojekte erst anzufangen, wenn sie durchfinanziert seien, funktioniere nicht. „Herr Hermann, machen Sie Spatenstiche zu ihrem persönlichen Erfolgserlebnis“, forderte Haußmann den Minister auf.

Herman: Land hat bereits mehr Mittel bekommen als in den Jahren zuvor

SPD-Verkehrsexperte Hans-Martin Haller räumte ein, dass der Vorgang nicht erfreulich sei. „Das ist eine Situation, die so nicht mehr vorkommen darf.“ Ziel müsse sein, dass das Land alle Gelder abgreifen könne, auch wenn das Vorgehen des Bundes noch so chaotisch sei. Jedoch sei die Zahl, die die CDU mit ihren 100 Millionen Euro in den Raum stelle, nicht nachvollziehbar. Dass Bayern erfolgreich Mittel beim Bund akquiriert habe, hänge mit der besseren Ausstattung der Straßenbauverwaltung im Freistaat zusammen. Haller hielt der CDU vor, es gehe ihr nicht um die Sache. „Wenn Sie in Berlin regieren und so tolle Connections haben, hätten sie uns warnen müssen.“

Hermann verteidigte sich mit dem Argument, dass das Land Baden-Württemberg 2013 bereits regulär weit mehr Mittel vom Bund bekommen habe als in den Jahren davor. Damit habe die Straßenbauverwaltung bereits auf „höchstem Niveau“ gearbeitet. Wenn der Bund dann zum Ende des Jahres mit mehr Geld komme, könne das nicht funktionieren. „Sie haben drastisch die (Straßenbau-)Verwaltung reduziert und wundern sich jetzt, dass die Verwaltung am Anschlag ist“, rief er an die Adresse der CDU. Zudem könne ein Bundesprojekt nicht ohne eine Freigabe des Bundes begonnen werden - der habe aber keine weiteren erteilt. Insofern täusche die CDU die Bürger, wenn sie von Projekten spreche, die begonnen werden könnten, wenn nur das Geld da sei.

Neben der Opposition kritisierte auch die Südwest-Industrie den Grünen-Politiker Hermann. „Als Verkehrsminister muss ich mich für die Infrastruktur des Landes einsetzen“, sagte der Präsident der baden-württembergischen Industrie (LVI), Hans-Eberhard Koch. „Wir sehen derzeit nicht, dass er diese Bedeutung erkannt hat.“ Die Industrie hoffe, dass Hermann sich auch als Grünen-Politiker „von sachlichen Gesichtspunkten leiten lässt und nicht von ideologischen“.