Welche Auswirkungen hat die sommerliche Sperrung der Hofener Straße in Stuttgart? Die Verwaltung will es genau wissen, und startet einen zweiten Versuch. Der Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) verteidigt seine Entscheidung gegen massive Kritik.

Stuttgart - Wahlkampfzeiten sind oft auch Zeiten ideologischer Grabenkämpfe. So war es auch am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik (UTA), als einmal mehr das Thema Hofener Straße aufgerufen wurde. Wie berichtet, will OB Fritz Kuhn (Grüne) entlang des Neckarufers von Mai an einen neuen, aber modifizierten Verkehrsversuch vornehmen lassen. Dabei soll die Hofener Straße bis Ende Oktober an Wochenenden und Feiertagen für den Autoverkehr erneut gesperrt werden und nur Radlern, Fußgängern und Skatern zur Verfügung stehen.

 

Im Unterschied zum ersten Anlauf wird die Sperrung allerdings diesmal samstagnachts um 22 Uhr aufgehoben. Der Grund: insbesondere während der Nacht auf Sonntag hatten Anwohner entlang der gegenüber liegenden Neckartalstraße über Lärm durch mehr Autoverkehr geklagt – entsprechende Verkehrszählungen hatten diesen Eindruck auch bestätigt.

Die Verwaltung setzt auf neue Erhebungen

Der Rathauschef selbst begründete seine Entscheidung für den erneuten Versuch, er sei auf eine Lösung aus, „bei der es keine Verlierer gibt“. Nach Abschluss der Versuchsphase werde die Verwaltung eine endgültige Regelung prüfen, man brauche aber zunächst empirische Erhebungen. Der Oberbürgermeister schloss eine dauerhafte Sperrung der Straße während der Sommermonate ebenso wenig aus wie eine Rücknahme der Maßnahme.

Dafür gab es ein vergiftetes Lob vom CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, dessen Parteifreunde in Münster vor Ort den Widerstand gegen die Maßnahme schüren. „Das macht die Hofener Straße für Autos wieder mehr auf“, so Kotz, um dann aber die Entscheidung Kuhns frontal anzugreifen. Eine „verzweifelte Suche“ nach Kompromissen schüre die Politikverdrossenheit, die Menschen wollten klare Entscheidungen. Der CDU-Fraktionschef („Ich würde mir auch manch neue Straße wünschen“) erklärte, man könne nicht jedem Verkehrsteilnehmer seinen Wunschweg zur Verfügung stellen. Der erste Versuch im vergangenen Jahr habe zudem keinen nennenswerten Zuwachs an Radlern und Fußgängern auf der Hofener Straße erbracht. Der OB habe mit seinem Erlass den Gemeinderat ausgehebelt und eine rechtliche Prüfung umgangen: „Er hat entscheiden, und so wird’s gemacht.“ Die CDU lehne das Experiment jedenfalls entschieden ab.

Freie Wähler wollen auf Radwege setzen

Auch Freie Wähler (FW) und FDP stimmten in die Kritik ein. „Mit aller Gewalt muss noch was probiert werden“, so FW-Stadtrat Joachim Fahrion. Die Sperrung widerspreche der Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer, wie Kuhn sie ansonsten propagiere. Seine Fraktion befürworte stattdessen Radwege entlang der Hofener Straße. Der Liberale Günter Stübel griff gar ganz tief ins sozialdemokratische Vokabular und zitierte Willy Brandts Credo: „Im Zweifel für die Freiheit.“

Fritz Kuhn und Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) konterten die Vorwürfe. „Sie rufen ja an anderer Stelle gern nach einem entscheidungsstarken Oberbürgermeister“, so der Rathauschef an die Adresse der CDU. Hahn erklärte, Radstreifen entlang der Hofener Straße würden die relativ schmale Fahrbahn für Autos unpassierbar machen. Für die Grünen sekundierte Fraktionssprecher Peter Pätzold. Wenn der Versuch nun nachjustiert werde, habe das mit „Durchdrücken“ nichts zu tun. Die CDU rede den gefundenen Kompromiss schlecht: „Bei Ihnen herrschte da doch eher demokratische Monarchie“, so Pätzold mit Blick auf Kuhns Amtsvorgänger, den Christdemokraten Wolfgang Schuster. Und Pätzold fragte: „Wo blieb denn der Aufschrei der CDU, als die Bahn am Schlossgarten wegen S 21 eine Fahrspur entfallen lassen wollte?“

Vergleiche zu Stuttgart 21

Ins gleiche Horn stieß Gangolf Stocker (SÖS): „Was für ein Theaterdonner um ein Stückchen Straße“, meinte der Stadtrat und zog ebenfalls die Analogie zu den befürchteten Verschlechterungen für ÖPNV-Kunden und Autofahrer durch das Bahnprojekt, bei denen der Protest der CDU stets ausbleibe. SPD-Fraktionschefin Roswitha Blind verteidigte die Kosten von 157 000 Euro: „Wenn’s nur um Autofahrer gegangen wäre, würden Sie nicht so genau aufs Geld schauen“, hielt sie dem CDU-Fraktionsvorsitzenden entgegen.

Dass die Cannstatter Wengerter sich beim OB schriftlich beklagt hatten, sie könnten im Fall einer Sperrung ihre Steilhanglagen nicht anfahren und bewirtschaften, veranlasste Kuhn zu einer Richtigstellung: „Das konnten die Wengerter schon bisher und werden es auch weiterhin können.“ Es sei erstaunlich, dass deren Chef davon nichts wisse. Zur Überraschung der CDU stimmten die Freien Wähler und in der Folge Grüne, SPD und SÖS schließlich dem Beginn des Versuchs zum 1. Mai zu.