Andere Städte verlangen in ihren Zentren deutlich weniger fürs Laternenparken als die 400 Euro, die in Stuttgart kassiert werden sollen.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Die Beratung zum Reizthema sollte fix vorbei sein. Vorab hatte der Bezirksbeirat offenbar verbalen Frieden vereinbart, und eigentlich ging es nur um eine Formalie: Mitte 2016 sollen in der gesamten Stadtmitte die neuen Regeln des sogenannten Parkraummanagements gelten, als „Stufe zwei“.

 

Die ist unstrittig, weil Anwohner in den betroffenen Gebieten für Parkausweise nur 30 Euro jährlich zahlen sollen. Mit der Stufe eins, die vom Herbst an nur im engeren Stadtkern in Kraft tritt, wollen sich die Lokalpolitiker aber nach wie vor nicht anfreunden. Dies, weil die Stadt dort 400 Euro pro Jahr kassieren wird.

Für die städtischen Ämter betont regelmäßig Birgit Wöhrle, dass eine niedrigere Gebühr widerrechtlich wäre, weil im Stadtzentrum allzeit Parkplätze frei seien. In allen anderen Innenstadt-Bezirken herrsche hingegen dauerhafter Mangel. Jene 30 Euro sind eine Gebühr, mit der die Stadt lediglich ihren Verwaltungsaufwand deckt, um Anwohnern gegenüber Auswärtigen einen Vorteil zu verschaffen. Eben dies verbiete sich, wo mehr Parkplätze zur Verfügung stehen als Autofahrer leben. Dies ist im Zentrum zweifelsfrei der Fall: Allein in den Parkhäusern des Stadtkerns können bis zu 12 000 Autos abgestellt werden. „Wenn wir die nicht hätten, hätten wir das Problem nicht“, sagt Wöhrle. Formal bekommen die Zentrumsbewohner deswegen keinen Parkausweis ausgestellt, sondern eine Ausnahmegenehmigung, die ihnen das Falschparken erlaubt.

Verwaltungsrichter halten die Rechnung für falsch

Allerdings zweifeln selbst überzeugte Anhänger der Parkraumbewirtschaftung an dieser Begründung. „Wenn ich in einem Parkhaus für zwei Stunden sechs Euro zahlen muss, kann ich nicht ernsthaft sagen, dass mir ein Parkplatz zur Verfügung steht“, meint die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, die allein deswegen von der Regelung nicht betroffen ist, weil sie sich allenfalls im Ausnahmefall in einem Auto fortbewegt. Laut dem Christdemokraten Christoph Goller hat der Verwaltungsgerichtshof in München geurteilt, dass kostenpflichtige Parkhäuser nicht eingerechnet werden dürfen.

Tatsächlich hat der bayerische VGH kein ausdrückliches Urteil zum Thema gefällt, aber in einem Streit zu Münchens Parkregeln unmissverständlich formuliert, dass „bei der Ermittlung des Stellplatzangebots“ Parkhäuser nicht eingerechnet werden können, „weil die Benutzung der Parkhäuser entgeltlich ist“. Überdies merkten die Richter an, dass „die Attraktivität der Altstadt als Wohnort geschmälert“ würde, wollte die Stadt deren Bewohner in kostenpflichtige Garagen verweisen. Die Münchener haben bei ihrer Parkraumbewirtschaftung ebenfalls eine zentrale Zone ausgewiesen. Sie umfasst eben die Altstadt am Sendlinger Tor.

In Frankfurt ist der Parkplatz vor der Haustür garantiert

Die Bayern kassieren von Anwohnern dort für die Ausnahmegenehmigung 102 Euro pro Jahr. Frankfurt verlangt in seiner Mitte sogar 342 Euro, aber mit einem entscheidenden Unterschied: Der Parkplatz vor der Haustür ist garantiert und per Poller abschließbar. Köln, Dortmund, Berlin und Hamburg verzichten auf eine Kernzone und erheben pauschal 30 Euro jährlich. Gemäß Gebührenordnung können Kommunen für Ausnahmen von der Straßenverkehrsordnung bis zu 511 Euro kassieren. Der Spielraum reicht aber hinab bis auf 10,20 Euro.

In Umkehrung üblicher Politik loben sich in Stuttgart die Grünen, einen Spartarif für Automobilisten durchgesetzt zu haben. Wer das Recht, kostenlos zu parken, nur von 18 bis 8 Uhr in Anspruch nimmt, für den sinkt die Gebühr auf 150 Euro. Was „in der Praxis nicht viel hilft“, sagt Goller, „was ist zum Beispiel, wenn ich bei schönem Wetter das Fahrrad nehmen will?“

Bevor die neuen Regeln gelten, will die Stadt umfassend informieren, unter anderem bei einer Versammlung für Betroffene. Laut Wöhrle ist dort Lob zu erwarten. „Wir haben bisher die Reaktion: Das ist toll, dass ich für das Geld überall in der City parken kann“, sagt sie. Dagegen prophezeit der SPD-Beirat Heinrich Huth den Ämtern ein „Wettrennen im Zurückrudern“, wenn die Nachricht in den Köpfen und vor allem auf den Konten der Betroffenen ankommt. Er stimmte als einziger auch gegen die zweite Stufe der Parkraumbewirtschaftung.