Wer von Kaltental zum Hauptbahnhof mit dem Fahrrad unterwegs ist, stößt auf erwartete und unerwartete Hindernisse.

S-Süd/S-Mitte - Gute Nerven – die sollte der gemeine Fahrradfahrer in Stuttgart schon mitbringen, wenn er auf zwei Rädern von Kaltental zum Hauptbahnhof fahren will. Auf die Beschilderung kann er sich nämlich nur bedingt verlassen. Als Startpunkt dieses Feldversuchs dient die Haltestelle Engelboldstraße in Kaltental. Das verspricht freie Fahrt bergab – nur nicht wenn die Böblinger Straße, wie in der vergangenen Woche, wegen Straßenbauarbeiten gesperrt ist. Dann heißt es gleich in die Pedale treten, die Engelboldstraße hinauf und dann hinunter zur Haltestelle Waldeck. Erstaunlicherweise gibt es an der Engelboldstraße sogar ein Schild, das auf den Tallängsweg verweist. Jene Hauptradroute, die von Vaihingen bis Bad Cannstatt und damit auch von Kaltental bis zum Hauptbahnhof führt. Das Schild hat Seltenheitswert, allzu oft fehlen notwendige Richtungsangaben.

 

Bis zum Ortsanfang von Heslach fährt es sich angenehm in idyllischer Umgebung. Mit der Ruhe zwischen Waldrand und Nesenbach-Ersatzbach ist es allerdings schnell vorbei. An der Abzweigung der alten Bundesstraße weiß der Fahrradfahrer nicht, wo es weitergeht. Ein Hinweisschild fehlt. Hält der Radfahrer an und schaut zurück, entdeckt er, dass er – wie die Autofahrer – nach Heslach abbiegen könnte, dann aber eine Nebenstrecke fahren würde. Dass der Tallängsweg geradeaus führt, kann er nur erraten. Auch an der nächsten Ampel, die tatsächlich zu queren ist, bleibt es Glückssache, die richtige Route zu finden. Erst an der Tankstelle vorbei in der Burgstallstraße erfährt der Radfahrer durch das weiße T im kleinen grünen Kreis, dass er auf dem anvisierten Tallängsweg ist.

Ein Radstreifen am Marienplatz wäre hilfreich

Bis zur Kreuzung von Möhringer Straße und Böheimstraße stören keine Schilder für Radfahrer das Blickfeld. Dann lässt eine kleine Radfahrerampel vermuten, dass der Weg in der Möhringer Straße weitergeht. Das stimmt zwar. Fahrradfahrer, die aber aus einer anderen Richtung kommen, sind aufgeschmissen oder wissen, dass es sich weiter am besten vorbei an der Matthäuskirche zum Marienplatz radelt. An der dortigen Ampel geht es gerade zu Stoßzeiten etwas beengt zu. Nicht umsonst bemängelt der Bezirksbeirat Süd, dass die Querung breiter sein müsste. Ein zusätzlicher Streifen über die Straße nur für Fahrradfahrer würde die Situation deutlich verbessern.

Zur Stärkung lohnt es sich, am Marienplatz ein Eis zu essen, denn die Suche nach dem nächsten Schild ist ziemlich frustrierend. Wenn man es zwischen den Wahlplakaten gefunden hat, weißt es nämlich Richtung Hauptstätter Straße. Dabei führt der Tallängsweg über die Tübinger Straße und schon dort muss ein Fahrradfahrer mit genervten Autofahrern rechnen. Die wesentlich stärker befahrene Hauptstätter Straße sollten Fahrradfahrer besser meiden.

Doch auch die Tübinger Straße entwickelt mit ihren vielen Großbaustellen derzeit für Radfahrer einen ganz eigenen Charme. Vorbei an der Alten Wache irritiert zunächst die Abbiegeregelung zur Feinstraße hin. Da dürfen die Fahrradfahrer links zwischen den Fahrbahnbegrenzungen hindurchfahren. Was nicht jedem sofort klar wird. Theoretisch kommen Radfahrer so am rechten Fahrbahnrand nicht den Autofahrern in die Quere, die ja dort in die Feinstraße rechts abbiegen müssen. Da die meisten Autofahrer dieses Gebot aber ignorieren, muss der Fahrradfahrer aufpassen, dass er nicht angefahren wird.

Die Baustellen machen den Weg zum Hindernisparcours

Unter der Paulinenbrücke hindurch, im Bezirk Mitte, gilt es dann die Baustelle für den neuen Straßenbereich zu durchqueren, den sich künftig alle Verkehrsteilnehmer teilen dürfen. Einen kleinen Vorgeschmack auf dieses Miteinander gibt die Baustellensituation schon jetzt. Einige Fußgänger wissen anscheinend nicht, dass sie tatsächlich Verkehrsteilnehmer sind. Wie gebannt starren sie auf das Display ihres Smartphones und erwarten, dass alle übrigen Fußgänger und Fahrradfahrer ihnen problemlos ausweichen.

Wer diese beweglichen Hindernisse unfallfrei gemeistert hat, steht schon vor dem nächsten Problem und der ewigen Frage: Wo geht der Radweg weiter? Das Schild fehlt – wieder einmal. Zum Glück kann man sich an anderen Fahrradfahrern orientieren und findet sie endlich: Stuttgarts Fahrradstraße. Was viele Autofahrer offensichtlich nicht wissen, ist, dass die Eberhardstraße den Fahrradfahrern gehört. Zumindest offiziell. Wer die Autos und Lkw sieht, die in zweiter Reihe parken, der glaubt kaum, dass die Eberhardstraße ihren Titel lange halten kann. Eine Befürchtung, die vor einiger Zeit auch im Bezirksbeirat Mitte zu hören war.

An der Dorotheenstraße fehlt das nächste Schild. Wer dort nicht nach links abbiegt, muss einen quälenden Umweg nehmen. Denn an der nächsten Kreuzung, der von B 14 und  B 27, heißt es lange Warten. Zum Glück naht der Hauptbahnhof. Wer aber nun am Landtag nach links in den Park abbiegen möchte, dem verbietet der Landtagspräsident per Schild das Fahrradfahren auf der Fläche. Davon lassen sich jedoch die wenigsten Fahrradfahrer stören. Die meisten haben aufgegeben, nach Schildern zu suchen oder kennen schlicht den Weg über die Brücke zum Mittleren Schlossgarten und damit zum Hauptbahnhof.