Stillstand auf Stuttgarts Straßen: Ein Verkehrsdatenanalyst hat Werte für die Landeshauptstadt vorgelegt. Seit Januar gab es demnach mehr als 18 000 Staus. Sie haben den Berechnungen zufolge Kosten von rund 209 Millionen Euro verursacht.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Der 7. Juli 2017 ist kein guter Tag für die ohnehin nicht verwöhnten Stuttgarter Autofahrer gewesen: gegen viertel nach sieben am Morgen begann sich der Verkehr auf der Weinsteige stadteinwärts zu stauen. Das an sich ist nicht ungewöhnlich. Dass die Behinderungen auf einer Länge von gut drei Kilometern aber mehr als elf Stunden andauerten, hebt diesen Stau aus den üblichen Stuttgarter Straßenverhältnissen heraus. Die der Stuttgarter Zeitung exklusiv vorliegenden Werte stammen aus einer Auswertung von Inrix, einem Unternehmen, das sich auf die Analyse von Verkehrsdaten spezialisiert hat. Die Untersuchung erstreckt sich auf den Zeitraum von Januar bis Ende Oktober 2017.

 

Mehr als 15 Kilometer lange Staus

Die Malaise auf der südlichen Einfallstraße kann für sich in Anspruch nehmen, am längsten die Nerven der Autofahrer strapaziert zu haben. Die größte räumliche Ausdehnung registrierten die Verkehrsdatensammler von Inrix am 17. Mai, als sich stadtauswärts Autos auf einer Strecke von 16,8 Kilometer auf der B 10 im Neckartal aneinanderreihten. Beide Spitzenwerte gelten für das Straßennetz abseits der Autobahnen, die über Stuttgarter Markung führen. Nimmt man die Fernstraßen in die Betrachtung hinzu fallen die Werte nochmals krasser aus. 13 Stunden lang ging am 12. April auf der A 8 westwärts nicht mehr viel. Der dort registrierte Stau begann etwa in Höhe des Messeparkhauses. Seine 16,5 Kilometer lange Ausdehnung bedeutet aber keinesfalls die Spitzenposition. Die geht an einen Stau am 28. Juli, der sich – ebenfalls auf der A 8 – auf 17,1 Kilometer ausdehnte.

Ob nun Verkehrsbehinderungen auf Autobahnen oder innerstädtischen Bundesstraßen: der überwiegende Grund scheinen immer Baustellen zu sein. Von den zehn gelisteten Staus haben neun ihre Ursache darin, dass an den Straßen oder in der unmittelbaren Umgebung davon gearbeitet wird. Nur in einem Fall hat ein wegen einer Panne liegen gebliebenes Fahrzeug für erhebliche Beeinträchtigungen gesorgt.

Zeitverlust von mehr als 40 Minuten

Für den im Stau Stehenden ist die Frage, warum es denn mal wieder nicht vorwärts geht, von eher nachrangiger Bedeutung. Die tatsächlichen Auswirkungen für die Betroffenen sind von Interesse. So hat etwa, wer in dem oben erwähnten 16-Kilometer-Stau auf der B 10 steckte, nach Angaben von Inrix gut 40 Minuten verloren gegenüber einer Situation, in der der Verkehr ansatzweise normal geflossen ist. Die Autos dort waren mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 Kilometer in der Stunde unterwegs.

Die Spitzenreiter was Länge und zeitliche Ausdehnung angeht bilden zwar Ausreißer in ihrer Kategorie, dennoch ist Stillstand auf Stuttgarts Straßen ein alltägliches Phänomen. Die Studie hat im Zeitraum vom 1. Januar bis 9. November im Untersuchungsgebiet 18 519 Staus gezählt. Das ergibt einen Durchschnittswert von 59 Staus pro Tag. Der stauträchtigste Monat war mit 2547 Behinderungen der Mai. Am wenigsten ausgebremst wurden Autofahrer im Urlaubsmonat August. Da verzeichnet die Studie „nur“ 833 Verkehrseinschränkungen.

Mehr Staus in der Stadt als auf der Autobahn

Der Schwerpunkt der Staubildung ist nach der Erhebung eindeutig im städtischen Straßennetz und nicht etwa auf den stark befahrenen Autobahnen am Rand der Gemarkung zu suchen. 95 Prozent der registrierten Behinderungen haben demnach abseits der großen Fernstraßen den Verkehr ausgebremst.

Die Methodik der Erhebung

In der Untersuchung wird ein Stau als solcher registriert, wenn sich der Verkehr mit einer Geschwindigkeit fortbewegt, die nur noch 65 Prozent oder weniger der sogenannten Referenzgeschwindigkeit erreicht. Dieses Tempo ist die Durchschnittsgeschwindigkeit bei freier Fahrt im betrachteten Streckenabschnitt zur betreffenenden Tageszeit.

Die Studie wartet auch mit Kosten auf, die durch die Staus entstanden sind. Zugrund gelegt wurden dabei sowohl durch die Verschwendung von Zeit und Benzin verursachten Kosten wie auch jene, die Unternehmen durch die Beeinträchtigung entstanden sind, und die sie an den Verbraucher weitergeben. So habe etwa der längste in diesem Jahr auf der A8 bei Stuttgart registrierte Stau Kosten von gut 815 000 Euro verursacht. Die Gesamtkosten für Staus in Stuttgart seit Januar 2017 beziffern die Experten auf rund 209 Millionen Euro.