Die EnBW sieht sich dank eines langfristigen Liefervertrags gut gerüstet für künftige Entwicklungen. Zweifler in der Branche fragen aber, wer das viele Gas eigentlich kaufen soll.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Ihr Gasgeschäft hat der EnBW in den letzten Jahren wenig Freude gemacht. Aus den Plänen des scheidenden Konzernchefs Hans-Peter Villis, über den Einstieg beim Oldenburger Versorger EWE maßgeblichen Einfluss auf den ostdeutschen Erdgasgroßhändler VNG zu bekommen, ist nichts geworden. Die EnBW besitzt 26 Prozent der EWE, die wiederum knapp die Hälfte der VNG-Anteile hält. Und eine Aufstockung wäre aufgrund früherer Vereinbarungen mit der EWE so teuer, dass die EnBW daran vorerst kein Interesse hat.

 

Umso erfreuter waren die Karlsruher, als sie vor rund zwei Wochen eine Erfolgsmeldung in Sachen Gas verschicken konnten. Dabei ging es um den Abschluss eines Vertrags mit einem ausländischen Lieferanten, bei dem es sich wahrscheinlich um Novatek, den zweitgrößten Gasproduzenten Russlands handelt. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre, das jährliche Volumen liegt bei 21 Milliarden Kilowattstunden, für die die EnBW durchschnittlich 600 Millionen Euro zahlen soll. Gemessen am bisherigen Jahresgasabsatz der EnBW von 57,4 Milliarden Kilowattstunden (2011) sei das „ein Monsterdeal“, meint ein Branchenexperte, der bezweifelt, dass die EnBW Abnehmer für die Mengen finden wird. Denn die Gasnachfrage in Europa werde in den kommenden Jahren eher sinken. Als Gründe nennt der Fachmann unter anderem den sinkenden Heizenergiebedarf durch besser gedämmte Gebäude und den wachsenden Anteil regenerativer Energien.

Nachfrageanstieg von 1,5 Prozent

Die EnBW erwartet dagegen einen jährlichen Nachfrageanstieg von 1,5 Prozent. Es sei zwar richtig, dass künftig weniger Erdgas zum Heizen gebraucht werde, „doch dafür wird der Bedarf durch neue Gaskraftwerke zunehmen“, sagt ein Sprecher. Solche Kraftwerke eignen sich besonders gut, um die schwankende Produktion von Wind- und Solarstrom auszugleichen. Auch die Internationale Energieagentur rechnet global mit einem steigenden Erdgasverbrauch; sie hält sogar einen Anstieg um 50 Prozent im Zeitraum 2010 bis 2035 für möglich.

Die EnBW will mit den zusätzlichen Gasmengen in neue Marktsegmente vordringen. Konzentrierte sich der Konzern bisher vor allem auf private und industrielle Endkunden, will er künftig auch stärker im Großhandel mitmischen – etwa als Lieferant von Stadtwerken. Schon im ersten Halbjahr 2012 hat die EnBW ihr Geschäft mit Einfuhr, Handel und Speicherung von Gas massiv ausgebaut: Der Absatz stieg auf 5,3 (Vorjahr: 1,0) Milliarden Kilowattstunden. Da auch an Privatkunden, Industrie und Weiterverteiler mehr verkauft wurde, kam die EnBW beim Gesamtgasabsatz (38,4 Milliarden Kilowattstunden) auf ein Plus von 21,9 Prozent; der Umsatz legte sogar um 33,0 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro zu. Das führte zu einem bereinigten Gewinn von 116,2 Millionen Euro (plus 40,2 Prozent).