Welchen Kurs soll der Konzern künftig verfolgen? Darüber beraten Vorstand und Aufsichtsrat der EnBW am Mittwoch in einer Klausursitzung.

Stuttgart - Der Vorstandsbeschluss zeugt von beträchtlichem Misstrauen, nach innen wie nach außen. Detailliert ließ EnBW-Chef Hans-Peter Villis regeln, wer aus dem Unternehmen mit wem in der Politik sprechen dürfe. Die "Kommunikation mit dem Ministerpräsidenten" erfolge alleine über ihn oder den Aufsichtsratsvorsitzenden, nur "in Ausnahmefällen und in Absprache" könnten Vorstandskollegen einspringen. Mit den grün-roten Ministern dürften nur Vorstände oder der Cheflobbyist reden, allen anderen sei dies erst "nach besonderer Genehmigung" gestattet. Jene Minister, die auch im Aufsichtsrat säßen, würden zentral vom Leiter Konzernführung oder der Leiterin Konzerngremien betreut. Alle Gespräche seien zu dokumentieren, verfügte Villis, "damit auf Vorstandsebene jederzeit Transparenz über die wesentlichen Kontakte und Elemente des Austauschs" herrsche.

 

Offiziell soll der Beschluss, der der Stuttgarter Zeitung vorliegt, die Beziehungen zwischen der EnBW und dem Land als neuem Großaktionär verbessern helfen. Die verbindlichen Regeln dienten dazu, "neue tragfähige Kontakte aufzubauen" und bestehende "im Interesse des Unternehmens fortzuführen", hieß es in einer Rundmail. Inoffiziell wurde der "Maulkorberlass" ungleich kritischer bewertet. Man könne den Chefs großer Konzerngesellschaften, die regelmäßig mit Politikern zu tun hätten, doch nicht den Mund verbieten, empörten sich Insider. Der "Kontrollwahn" offenbare nur die Angst von Villis & Co. vor der neuen Landesregierung. Sein vorgeblich der Kontaktpflege dienendes Verdikt lese sich eher wie eine Anleitung, "in welcher Formation wir dem Feind entgegentreten".

An diesem Donnerstag kommt es zur bisher wohl wichtigsten Begegnung der ungleichen Partner. Da treffen sich Vorstand und Aufsichtsrat zu der - schon einmal verschobenen - Klausursitzung, bei der über die künftige Strategie der EnBW beraten werden soll. Noch gibt es nur vage Vorstellungen, wie der Umstieg vom Atomstrom auf Ökoenergie gelingen soll, ohne Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft zu gefährden. Hinter vorgehaltener Hand äußern sich Spitzenvertreter der Koalition, aber auch kundige CDU-Strategen höchst besorgt über die Zukunft des Konzerns, die das Land nach dem Aktienkauf durch Expremier Stefan Mappus auch direkt betrifft. Seit Villis vorige Woche überraschend einen Halbjahresverlust von fast 600 Millionen Euro ausweisen ließ, ist noch klarer geworden, wie schwer der Atomausstieg den Karlsruhern zu schaffen macht.

Von McKinsey erhofft sich die EnBW strategische Ratschläge

Schon vor Fukushima war der Vorstandschef indes nicht als großer Stratege aufgefallen. Mit seinem Plan etwa, das unterentwickelte Gasgeschäft auszubauen, kam er lange nicht recht vom Fleck. Die Verhandlungen mit dem russischen Gasunternehmen Novatek, die durch die StZ publik wurden, dürften eines der Themen bei der Klausur sein. Ob sie den erhofften Durchbruch bringen, ist noch keineswegs ausgemacht. Villis' Absicht, die Russen am Leipziger Gasunternehmen VNG zu beteiligen, wird durchaus kontrovers diskutiert. Formal ist Novatek zwar ein Wettbewerber des Energieriesen Gazprom, den die alte Regierung unbedingt von der EnBW fernhalten wollte, aber wenn es um nationale Interessen geht, sagen Kenner, gebe es in Russland keine echte Konkurrenz; schon kursiert die Warnung vor Novatek als "trojanischem Pferd" von Gazprom. Dazu passt, dass Villis dem Vernehmen nach erst bei dem großen staatlichen Gaskonzern angeklopft hat - und von diesem an den kleineren privaten verwiesen wurde.

Strategische Ratschläge erhofft sich die EnBW von den Experten von McKinsey, die derzeit das Unternehmen durchleuchten. Doch was bisher an Zwischenergebnissen durchsickerte, sind vor allem konventionelle Tipps zur Kostensenkung. Hinterfragen ließe sich in der Tat vieles - zum Beispiel die Größe der Holding. Von einst gut 100 ist sie auf rund 600 Mitarbeiter gewachsen, Kritikern gilt sie als "Wasserkopf". In der Holding selbst, hört man, gehe denn auch die Angst vor Jobabbau um.

Auch in der grün-roten Koalition sind die strategischen Überlegungen noch lange nicht abgeschlossen. Die beiden Hauptakteure, der Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid und der Umweltminister Franz Untersteller, setzen ihre Akzente unterschiedlich. Während für den Genossen die Sicherung der Arbeitsplätze im Vordergrund stehe, wird berichtet, schaue der Grüne vor allem auf den Beitrag der EnBW zur Energiewende. In der Regierung grassieren zudem anhaltende Zweifel, ob Villis der richtige Mann für den Umbau des Unternehmens ist. Angesichts der vielen Veränderungen brauche man eine gewisse Kontinuität, heißt es einerseits. Aber mit kontinuierlicher Konzeptlosigkeit, lautet der Gegeneinwand, sei der EnBW auch nicht gedient. Irritationen nähren obendrein interne Äußerungen von Villis, die seine Bekenntnisse zur Abkehr von der Atomkraft konterkarieren.

Bevor die Strategie nicht klar sei, sollten keine Personalien festgezurrt werden

Die Hoffnung des Vorstandschefs, bei der Klausur auch die Besetzung vakanter Vorstandsposten voranzutreiben, scheint sich jedenfalls nicht zu erfüllen. Bevor die Strategie nicht klar sei, verlautet aus Koalitionskreisen, sollten keine Personalien festgezurrt werden. Villis' Favorit für die Nachfolge des Franzosen Christian Buchel, der Chef der Handelsgesellschaft, Dirk Mausbeck, stößt zudem auf Vorbehalte. Gerungen wird immer noch darum, ob der wegen einer Russlandaffäre abgelöste Atomexperte Hans-Josef Zimmer auf den Posten des Technikvorstands zurückkehrt.

Unsicherheit und Zukunftsangst drücken derweil schwer aufs Gemüt der 20.000 EnBWler. "Es gärt gewaltig", berichten Insider, die Stimmung im Unternehmen sei "desaströs". Das spiegelte sich auch in einer Mitarbeiterbefragung, die unlängst im Foyer der Karlsruher Konzernzentrale vorgestellt wurde. In seinem Berufsleben, sagte der mit der Auswertung beauftragte Experte laut Teilnehmern, habe er eine solche Distanz zur Unternehmensführung noch nie erlebt.