Eigentlich wollte US-Präsident Donald Trump seine Truppen aus Afghanistan zurückholen. Nun schickt er neue Soldaten. Doch damit bleibt am Hindukusch nicht alles beim Gleichen. Die Ziele der Mission und die Prioritäten verschieben sich zum Teil beträchtlich.

Washington - Diese Rede und diese Entscheidung fallen Donald Trump nicht leicht. Eigentlich sage ihm sein Instinkt, dass Amerika seine Soldaten aus Afghanistan abziehen solle, betont der US-Präsident am Montagabend (Ortszeit) in einer vom Fernsehen live übertragenen Ansprache vor Soldaten in Fort Myer bei Washington. Und eigentlich habe er sich immer auf seinen Instinkt verlassen, fügt er hinzu. Dennoch entscheidet sich Trump gegen sein Bauchgefühl. Er schickt mehr US-Soldaten nach Afghanistan, statt die Truppen abzuziehen.

 

Es ist ein wegweisender Entschluss für die ganze amerikanische Außenpolitik – und innenpolitisch riskant für den Präsidenten. Trump ist nach Fort Myer gekommen, um die neue Afghanistan-Strategie seiner Regierung zu verkünden, die erste verbindliche Festlegung dieser Art seit seinem Amtsantritt im Januar. In internen Sitzungen hatte die Administration in den vergangenen Monaten um den richtigen Kurs gerungen. Noch im Juli habe Trump wutschnaubend die Pläne seiner Mitarbeiter zur Entsendung weiterer Truppen nach Afghanistan abgelehnt, meldet die „New York Times“. In Fort Myer macht der Präsident keinen Hehl aus der Tatsache, dass der Entscheidungsprozess mühsam war.

Trump sagt: „Wir werden siegen“

Er selbst überwindet seinen Rückzugsinstinkt vor allem aus einem Grund: Ein überstürzter Abzug der derzeit rund 8000 amerikanischen Soldaten aus Afghanistan würde ein Vakuum schaffen, in dem Al-Kaida und der Islamische Staat (IS) florieren könnten. Und das würde dem obersten Ziel der Mission zuwiderlaufen: Trump will die Terrorgruppen zerschlagen. „Wir werden siegen“, sagt er. Und so kommt der Präsident Trump in seiner etwa halbstündigen Rede zu Schlussfolgerungen, die der Wahlkämpfer Trump vor einem Jahr noch heftig kritisiert hätte.

Er gibt den amerikanischen Generälen die Vollmacht, zusätzliche Truppen einzusetzen; gedacht wird an eine Verstärkung um etwa 4000 Soldaten, verlautet aus dem Kongress, der von der Regierung über die Pläne informiert worden ist. Auch die amerikanische Unterstützung für die afghanische Regierung geht weiter. Pakistan soll mehr tun, um die Präsenz von Terrorgruppen auf seinem Territorium zu beenden. Auch die Nato-Partner der USA sollen ihren Beitrag in Afghanistan verstärken und mehr Truppen an den Hindukusch schicken. Washington werde Kabul künftig keine Vorschriften hinsichtlich der afghanischen Innenpolitik mehr machen, betont Trump. Das heißt: Menschenrechtsfragen rücken in den Hintergrund. „Wir betreiben keinen Aufbau von Nationen mehr – wir töten Terroristen“, sagt Trump.

Details werden nicht mehr öffentlich diskutiert

Details über militärische Operationen und Truppenstärken sollten nicht mehr öffentlich debattiert werden. „Wir werden nicht sagen, wann wir angreifen werden. Aber wir werden angreifen.“ Vor einigen Jahren hatte Trump noch einen raschen Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan gefordert, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zum Kampf gegen Al-Kaida und die Taliban in das zentralasiatische Land geschickt worden waren. Trumps Verteidigungsminister James Mattis räumte im Juni ein, dass die USA keine großen Fortschritte gegen die Taliban machen. Die radikalislamische Miliz ist auf dem Vormarsch: Laut einem Expertenbericht kontrolliert die vom Westen gestützte afghanische Regierung lediglich 57 Prozent der Fläche des Landes, das sind 15 Prozent weniger als im Vorjahr.

In ihren grundlegenden Zügen – mehr Truppen, enge Zusammenarbeit mit Afghanistan, mehr Druck auf Pakistan – bewegt sich Trumps Strategie im Rahmen der traditionellen US-Politik. Die Partner der USA in der Nato und anderswo werden das erleichtert zur Kenntnis nehmen: Trotz aller markigen Worte gibt es keinen abrupten Bruch unter Trump – am Ende bleibt der Präsident auf dem Teppich.

Bannon fordert einen schnellen Rückzug

„Es hätte viel schlimmer ausgehen können“, schreibt „Washington Post“-Kolumnist Josh Rogin nach Trumps Rede. Einigen innenpolitischen Verbündeten des Präsidenten stößt Trumps Entscheidung dagegen sauer auf. Isolationisten und Populisten wie der vorige Woche entlassene Chefstratege Stephen Bannon fordern einen US-Rückzug aus Afghanistan; Bannon schlug vor, statt den amerikanischen Soldaten künftig private Söldner in Afghanistan kämpfen zu lassen. Mattis und Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster halten dagegen, auch nach 16 Jahren Krieg in Afghanistan und dem Tod von mehr als 2000 US-Soldaten dort dürfe Amerika das Land nicht einfach seinem Schicksal überlassen.

Trumps Rede ist deshalb ein Sieg der Realpolitiker im Weißen Haus. Die Populisten sind entsetzt. Auf Bannons Internetseite „Breitbart News“ wird Trumps Rede als „Enttäuschung“ für die Anhänger des Präsidenten bezeichnet. Trump habe Bannons Erzfeind McMaster nach dem Mund geredet. Der konservative Senator Rand Paul wird bei „Breitbart“ mit den Worten zitiert, weitere Truppenentsendungen nach Afghanistan seien eine „fürchterliche Idee“.