Ex-Finanzminister Stratthaus bescheinigt den deutschen Geldhäusern höhere Kapitalpolster. Eine europäische Bankenkrise könne trotzdem drohen.

Stuttgart - Eine Bankenkrise drohe durchaus, sagt Finanzexperte Stratthaus. Die Instrumente zur Stabilisierung der Banken sollten erneut aktiviert werden.

 

Herr Stratthaus, der Internationale Währungsfonds sagt, dass europäische Banken zu wenig Eigenkapital haben. Droht eine neue Bankenkrise?

Eine Bankenkrise kann durchaus drohen. Die Lage der Kreditwirtschaft ist aber von Land zu Land sehr verschieden. Die deutschen Banken sind nicht mehr stark in Griechenland engagiert. Ich bin überzeugt davon, dass die deutschen Geldhäuser ihre griechischen Probleme allein lösen können. Ich sehe auch keine Schwierigkeiten der deutschen Banken untereinander - einfach deshalb, weil sie sich ohnehin nicht mehr zu vertrauen scheinen. Viele Banken parken ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und besorgen sich von dort Liquidität. Damit ist die Ansteckungsgefahr unter deutschen Banken gering.

Die Lehman-Pleite hat gezeigt, wie eng die Kreditwirtschaft weltweit verbunden ist.

Natürlich ist die internationale Verflechtung ein Problem. Sorge macht mir auch, dass Finanzderivate Entwicklungen beschleunigen können. Andererseits verfügen gerade deutsche Banken heute über mehr Eigenkapital als vor drei Jahren. Alles in allem bin ich der Ansicht, dass von den deutschen Banken keine Gefahr ausgeht.

Falls anderswo Feuer ausbricht, geraten dann auch hiesige Institute in den Sog?

Griechenland allein ist nicht die große Gefahr. Das südeuropäische Land hat ein Bruttoinlandsprodukt, das 60 Prozent der baden-württembergischen Leistung entspricht. Das Risiko besteht darin, dass internationale Investoren ihre Anleihen abstoßen, wenn sie sehen, dass ein Euroland nicht gerettet wird. Sie könnten daraus den Schluss ziehen, weitere Euroländer würden sich selbst überlassen.

Die Opposition im Bundestag fordert, den Bankenrettungsfonds Soffin wiederzubeleben. War es voreilig, ihn 2010 zu schließen?

Die Finanzmarktstabilisierungsanstalt hat gute Arbeit geleistet. Wenn es notwendig ist, sollte man den Rettungsfonds Soffin wieder aufleben lassen. Mit Hilfe des Soffin ist erreicht worden, dass die Kapitalausstattung und die Bonität der Banken gesichert wurden. Es gibt heute ein Restrukturierungsgesetz, das der Politik bisher aber weniger Handlungsmöglichkeiten bietet. Die Aktivierung des Soffin sollte nur Ultima Ratio sein.

Welche Vorteile brächte eine Neuauflage des Soffin?

Mit Hilfe des Soffin könnten Banken im Ernstfall stabilisiert werden. Wir müssen sehen, dass der Bankenrettungsfonds glücklicherweise nur einen Teil der Mittel benötigt hat. Dabei ist zu beachten, dass wir es 2008 noch mit einer Bankenkrise zu tun hatten. Heute erleben wir eine Staatsschuldenkrise. Wenn große Länder betroffen sind, geht es um ungleich höhere Summen.

Die USA kritisieren, dass die Europäer die Krise zögernd bekämpfen. Wäre es besser gewesen, die Probleme in Europa beherzter anzugehen?

Jedes Land muss vor der eigenen Tür kehren. Ein beherzteres Handeln wäre sicherlich besser gewesen. Ich war 2008/2009 erstaunt darüber, dass Länder wie die USA und Großbritannien viel pragmatischer bei der Verstaatlichung von Banken waren. In Deutschland haben wir dagegen Grundsatzdebatten geführt, die heute nicht mehr stattfinden würden.

Lange Zeit schien es, als habe Deutschland die Finanzkrise gut gemeistert. Haben wir das Schlimmste noch vor uns?

Ich hoffe, dass wir es wieder schaffen. Mit der Überschuldung der Staaten wächst die Verunsicherung. Die Sache kann noch sehr gefährlich werden. Es ist absolut notwendig, dass ein Staat nicht unkontrolliert pleitegeht. Ich sehe keinen anderen Weg, als Griechenland zu stabilisieren. Auf lange Sicht müssen wir über grundsätzliche Rettungsmechanismen nachdenken.