Die Ursache für die Gleisabsenkung bei Rastatt ist weiterhin unklar. Eine der 18 Millionen Euro teuren Bohrmaschinen schreibt die Bahn aber schon mal ab.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Rastatt - Die Züge? Nein, nach 30 Jahren höre er die gar nicht mehr, sagt Alfred Bloedt. Wer bei ihm im Garten sitze und sich darüber beschwere, dass alle anderthalb Minuten ein Zug vorbeidonnere, der solle halt woanders sein Bier trinken, sagt der 76-Jährige. Sonderbar ist nur, dass er gar nicht gemerkt hat, dass seit Samstag, 11.03 Uhr, nichts mehr fährt auf der viel befahrenen Rheintalstrecke bei Rastatt. Nur als wenig später ein Hubschrauber über dem Stadtteil kreiste, ging er mal nach draußen. Am Abend konnte er den Schlamassel dann in der Tagesschau sehen. Auf einer Strecke von 50 Metern waren die Gleise eingesunken. Der darunter liegende Tunnelneubau war eingebrochen.

 

Und das Ausmaß des Schadens ist so recht noch gar nicht absehbar. Denn an den abgesenkten Gleisen hat es am Dienstag neue Erdbewegungen gegeben. Damit stehe der bisher genannte Zeitrahmen für die Sperrung bis zum 26. August in Frage, sagte der Konzernbevollmächtigte der Bahn für Baden-Württemberg, Sven Hantel, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Karlsruhe. „Wir wissen nicht, ob wir das halten können“, sagt Hantel. Offen ist auch, wann die vier Familien, die ihre Häuser verlassen mussten, zurückkehren können.

Gas- und Wasseranschlüsse sind gekappt

Wenige Meter von Alfred Bloedts Haus entfernt haben die Stadtwerke die Straße aufgerissen. Als Vorsichtsmaßnahme wurden die Gas- und Wasseranschlüsse gekappt. Es habe seit Samstag Risse, Erdbewegungen und Wassereintritt an der Baustelle gegeben. Mehr könne zur Ursache bisher nicht gesagt werden, heißt es bei der Bahn. Nur so viel: Der Schaden sei von einem Messgerät angezeigt und der Baumannschaft gemeldet worden. Der Zugverkehr sei sofort unterbrochen worden.

Für Schaulustige gibt es im Moment nichts mehr zu sehen. Zwei Bahnmitarbeiter weisen jeden freundlich, aber bestimmt ab. Die Bahnexperten sind inzwischen immerhin einen Schritt weiter. Eine Betonverfüllung des eingebrochenen Tunnels auf einer Strecke von rund 50 Metern soll dem Untergrund wieder Halt geben. Die Stabilisierung des Tunnels sei Grundlage, um die Strecke zu reparieren, sagte Sven Hantel.

Dass dabei die 18 Millionen teure Bohrmaschine in der Oströhre eingemauert werden muss, nimmt der Konzern hin. „Wir geben die Vortriebsmaschine auf“, sagt ein Techniker nüchtern. Solch eine Maßnahme hat es in Zusammenhang mit den international zum Einsatz kommenden Geräten der in Schwanau im Ortenaukreis ansässigen Herrenknecht AG wohl zuletzt in den 1980er Jahren gegeben. Damals wurde in München beim Bau eines Abwasserkanals eine Maschine geopfert. Ziel ist es allerdings, dass die Maschine von der anderen Seite später wieder freigebohrt wird, heißt es. Bei alledem besitze im Moment die Fortsetzung der Tunnelbauarbeiten nur „dritte Priorität“, sagt Hantel. In erster Linie gehe es darum, die Strecke wieder flott zu machen. Täglich fahren allein im Fernverkehr 20 000 Fahrgäste zwischen Karlsruhe und Freiburg. Auch für den Güterverkehr ist die Trasse von enormer Bedeutung.

Die Eismaschine steht im Fokus bei der Fehlersuche

Hinter dem Grundstück von Alfred Bloedt dröhnt unterdessen ein Containerbau in der Größe eines Zweifamilienhauses vor sich hin. Es ist die Vereisungsmaschine, auf die sich bei der Fehlersuche alles kapriziert. Sie soll den nassen Untergrund am Oberrhein auf 36 Grad unter Null gefrieren und damit stabil machen. „Das ist, wie wenn Sie einen Pudding gefrieren, um ihn an die Wand nageln zu können“, sagt ein Ingenieur.

Doch auf die Frage, ob sie Schuld ist an der Havarie, reagiert Hantel ausweichend. Dies müsse erst noch untersucht werden. Beim feierlichen Start der Baustelle hatte die Bahn noch stolz davon gesprochen, dass man mit der Vereisungsmethode bundesweit Neuland betrete. Nun betont der Bahnchef, dass es sich um eine gut eingeführte Technik handele. Weitere Bahntunnel, die in ähnlicher Weise gebohrt wurden, kann er allerdings nicht nennen.

Während auf der Baustelle die Reparaturarbeiten und die Fehlersuche fieberhaft vorangetrieben werden, herrscht vor dem Rastatter Bahnhof Hochbetrieb. Busse reihen sich aneinander. Die Passagiere folgen im Pulk und ohne Murren den Schildern auf denen „SEV“ steht. Der Schienenersatzverkehr habe sich eingespielt, sagt Hantel. 25 Minuten dauert die Fahrt von Rastatt ins 20 Kilometer entfernte Baden-Baden, wo dann die Anschlusszüge warten. Auch in umgekehrter Richtung läuft der Ersatzverkehr. Auf den betroffenen Bahnhöfen sei mehr Personal eingesetzt und die Kundenkommunikation verbessert worden, betont die Bahn. Doch das Umsteigen kostet auf jeden Fall Zeit. Der durchschnittliche Fahrgast, darunter viele Urlauber auf dem Weg zum Baden-Airport oder in den Süden, verliert 55 Minuten. Bei einer Verspätung von mehr als einer Stunde könnte er eine Rückvergütung verlangen.