Eigentlich wissen kirgisische Hirten, wie sie ihr einfaches Leben zu führen haben. Aber in diesem dokumentarisch anmutenden Spielfilm von Mirlan Abdykalykov verschwindet ihr vertrautes Umfeld unterm Ansturm der Moderne.

Stuttgart - Ein abgelegenes Tal in Kirgisistan: weite, saftige Wiesen, auf denen Pferde grasen, begrenzt von schneebedeckten Bergketten. Romantisch ist das Leben für eine der letzten Nomadenfamilien der Gegend dennoch nicht. Deren fiktive, doch dokumentarisch anmutende Geschichte erzählt Mirlan Abdykalykov in seinem Debüt „Nomaden des Himmels“ über weite Strecken ohne viele Worte.

 

In ruhigen Einstellungen scheint Abdykalykov die Familie von Pferdezüchtern zunächst bloß zu beobachten, entwickelt aber in kleinen Schritten aus alltäglichen Szenen heraus ein unerwartet herbes Drama. Drei Generationen leben unter dem Dach einer traditionellen Jurte, die Bedürfnisse der Tiere bestimmen den Tagesablauf. Das alte Ehepaar Tabyldy (Tabyldy Aktanov) und Karachach (Anar Nazarkulova) kennt es nicht anders und hat auch seinen Sohn in dieser Umgebung großgezogen. Seit der vor ein paar Jahren ertrunken ist, kümmert sich seine Witwe Shaiyr (Taalaikan Abazova) mit ihrer siebenjährigen Tochter um die Schwiegereltern.

Die Furcht der Alten

Statt Dankbarkeit und Fürsorge schlägt Shaiyr die misstrauische Strenge von Karachach entgegen, die es nicht gerne sieht, dass der Meteorologe Ermek (Jenish Kangeldiev), ein Städter, ihrer Schwiegertochter schüchterne Avancen macht. Es braucht eine Weile, bis man Karachachs kratzbürstiges Verhalten einordnen kann. Doch die Furcht der alten Frau, sie könnte Shaiyr an einen fremden Mann und zugleich an die moderne Welt verlieren, erscheint unter den schwierigen Lebensbedingungen nachvollziehbar.

Ohne gegenseitige Unterstützung könnten die Menschen in der rauen Landschaft nicht existieren. Die Trauer um Shaiyrs verstorbenen Mann wiegt doppelt schwer, weil er nicht nur das Auskommen der greisen Eltern, sondern auch den Fortbestand eines traditionellen Lebenswandels sichern sollte.

Der Trost der Märchen

Die Bedrohung der Tradition durch rücksichtsloses Profitstreben führt Abdykalykov in plakativen, bedrückenden Bildern vor Augen. Bagger fressen eine Schneise durch das Tal, auf der bald eine Zuglinie verkehren soll. Felsbrocken mit alten Zeichnungen der Ahnen werden abgeräumt. Mit ihnen verschwindet ein wichtiger Teil der Geschichte und Identität der Nomaden.

Trost und Zuversicht spenden dagegen die Sagen und Märchen, die Tabyldy seiner Enkelin Umsunai erzählt. In einem Vogel, der immer wieder über dem Tal kreist, meint das Mädchen seinen Vater zu erkennen, der die Familie aus der Ferne beschützt. Eine schöne Hoffnung aus längst vergangenen Tagen.