CDU und CSU können bei einem Spitzentreffen in Berlin ihren Streit nicht entschärfen. Inzwischen liegen eine Reihe von Koalitionsvorhaben auf Eis. Sogar die Aufstellung des Haushalts ist in Gefahr.

Berlin - In der großen Koalition verdichten sich die Anzeichen, dass die Auseinanderssetzungen auf mehreren Politikfeldern nicht so schnell gelöst werden. Ein Spitzentreffen der Union in Berlin ging ohne greifbare Ergebnisse zu Ende. Im Kanzleramt hatten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer getroffen, um über die Flüchtlingspolitik und weitere Themen zu beraten. Nach Angaben aus der Koalition habe es in der Flüchtlingspolitik keine Annäherung gegeben. Seehofer sprach nach der Unterredung von einem guten und entspannten Treffen. Sinn der Unterredung sei aber nicht gewesen, Kanzlerin Merkel zu überzeugen, sagte Seehofer. Die CSU lehnt Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik ab. Am Gespräch der Unionsspitzen nahmen auch Finanzminister Wolfgang Schäuble und Unionsfraktionschef Volker Kauder teil.

 

Die Koalition schiebt einen Berg ungelöster Probleme vor sich her. Wie die Stuttgarter Zeitung aus Koalitionskreisen erfahren hat, gilt es inzwischen als unsicher, ob die Eckpunkte zum Haushalt 2017 und die Finanzplanung am 23. März vom Kabinett beschlossen werden können. Da vor den drei Landtagswahlen am 13. März kein Koalitionsgipfel mehr stattfindet, könnten die Streitpunkte frühestens danach gelöst werden. Angesichts des knappen Zeitplans sei es aber fraglich, ob der Kabinettstermin gehalten werden kann, hieß es.

Gabriel fordert ein Integrationspaket

Der SPD-Chef Sigmar Gabriel will in den Etatberatungen erreichen, dass Mittel für ein Integrationspaket bereitgestellt werden. Gabriel erneuerte seine Forderungen nach einem umfassenden Investitions- und Modernisierungsprogramm. Dazu zählt Gabriel mehr Geld für die Integration in den Arbeitsmarkt und den Wohnungsbau. Die Koalition müsse auch die Aufgaben angehen, die schon vor der Flüchtlingskrise auf der Tagesordnung standen und zuletzt in Vergessenheit geraten sind.

Gabriel fordert eine Aufstockung der Renten von Geringverdienern und ein neues Behindertenrecht. Der Vizekanzler zeigte sich unbeirrt vom Widerstand der Union gegen ein Solidarpaket. Gabriel kritisierte die Kanzlerin, die ihm vorwarf, sich mit der Forderung nach mehr sozialen Leistungen klein zu machen. „Ich glaube, dass sie unterschätzt, von welcher Bedeutung es ist, gerade jetzt zu zeigen, dass jeder in diesem Land in der Politik der Bundesregierung wahrgenommen wird“, sagte Gabriel. Er warf Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, im Streit über Mehrausgaben im Haushalt seine Befugnisse zu überschreiten. Schäuble wäre gerne Schatzkanzler, er sei aber nur Finanzminister, sagte Gabriel. Am Ziel der schwarzen Null im Haushalt dürfe die Politik nicht um jeden Preis festhalten. Wenn notwendige Ausgaben unterblieben, werde es teurer.

Zeitdruck bei der Erbschaftssteuer

Beim Treffen der Unionsführung soll auch über die Themen gesprochen worden sein, die zurzeit auf Eis liegen. Dazu gehören die Reform der Erbschaftsteuer und die Pläne zu Zeitarbeit und Werkverträgen. Zu diesen Vorhaben hatte die CSU Einspruch erhoben. Die Sozialdemokraten wollen die Kompromisse zu beiden Vorhaben nicht weiter aufweichen. Die SPD erwartet, dass Merkel und Seehofer die Streitpunkte abräumen. Die CSU verfolgt dabei offenbar die Strategie, die Streitfragen im Paket zu lösen. Bei der Erbschaftsteuer steht die Politik unter Zeitdruck. In der Koalition wächst die Sorge, dass das Verfassungsgericht die Verschonung von Familienunternehmen außer Kraft setzen könnte. Das Karlsruher Gericht verlangt bis Ende Juni 2016 eine Neuregelung.