Exklusiv In der großen Koalition ist ein Zwist über die doppelte Staatsbürgerschaft entbrannt. Baden-Württembergs SPD-Chef Nils Schmid hält den Gesetzentwurf des CDU-Innenministers Thomas de Maizière für zu bürokratisch.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Berlin - - Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein heißes Eisen für viele Unionisten. Ein Vorstoß von Grünen und SPD für liberale Regeln stößt auf Widerstand. CDU-Vize Thomas Strobl droht gar mit Koalitionsbruch. Der Sozialdemokrat Schmid warnt hingegen vor einer neuen Bürokratie zur Integrationsverhinderung.
Herr Schmid, warum pfuschen Sie der großen Koalition ins Handwerk?
Wir wollen der großen Koalition auf die Sprünge helfen und dafür sorgen, dass Innenminister de Maizière den Koalitionsvertrag integrationsfreundlich umsetzt. Die Abschaffung der Optionspflicht ist für tausende junger Menschen im Land ein ganz wichtiger Schritt, hier in Deutschland heimisch zu werden. Sie ist ein Stück gelebter Willkommenskultur.
Aber Sie stören den Koalitionsfrieden.
Den Koalitionsfrieden stören die wilden Drohungen des CDU-Landesvorsitzendes Thomas Strobl, der von Koalitionsbruch redet. Es geht uns um die Sache: Die Bundesländer mit hohem Migrantenanteil haben ein großes Interesse daran, dass die Koalition bei der Integration Fortschritte macht. Das ist im Koalitionsvertrag vereinbart, und dafür setzen wir uns ein.
Die Union und ihr Innenminister beharren auf strikten Voraussetzungen für den Doppelpass. Was spricht dagegen?
Es gibt ja jetzt schon viele, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, ohne dass diese an weitere Bedingungen geknüpft wäre. Ausgerechnet großen Migrantengruppen soll der Weg zur doppelten Staatsbürgerschaft mit neuen Hürden verbaut werden. Der Optionszwang hat sich als extrem bürokratisch erwiesen. Jetzt sollen die Behörden und die Migranten mit neuen Vorschriften behelligt werden. Dafür gibt es keine sachlichen Argumente. Vielmehr verfolgt die CDU offenbar den Zweck, möglichst wenigen eine doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. Das entspricht nicht dem Geist des Koalitionsvertrags. Da geht es um Menschen, die hier aufwachsen, die Deutschland als ihre Heimat ansehen. Es ist nicht einzusehen, warum man von ihnen verlangen sollte, dass sie sich noch einmal beweisen müssen. Deshalb wollen wir möglichst einfache Regeln für den Doppelpass. Für die verwaltungstechnische Abwicklung sind die Länder zuständig. Und wir haben ein Interesse daran, dass unsere Behörden nicht belastet werden mit unnötigen und weltfremden Auflagen.
Sie befürchten, dass eine neue Bürokratie geschaffen werden soll?
Der bisherige Optionszwang ist nicht handhabbar. Das zeigen alle praktischen Erfahrungen. Deshalb ist es notwendig, dass er fällt. Dann sollte man aber nicht neue Auflagen, neue Integrationshemmnisse erfinden. Was Briten, Amerikaner und Franzosen hinbekommen, sollte bei uns doch auch möglich sein. Die Union ist beim Thema Integration offenbar immer noch veralteten gesellschaftlichen Leitbildern verhaftet. Aber die große Koalition ist angetreten, hier einen entscheidenden Schritt voran zu kommen. Da dürfen wir uns nicht ausbremsen lassen, deshalb treiben wir sie in dieser Frage an.
Warum sollten junge Menschen, die gar nicht dauerhaft in Deutschland gelebt haben und hier nicht wirklich verwurzelt sind, das Privileg einer doppelten Staatsbürgerschaft eingeräumt bekommen?
Wer hier geboren ist, der ist sehr wohl in Deutschland verwurzelt. Ich halte es nicht für sinnvoll, dass man darüber hinaus weitere Nachweise erbringen muss. Meine Frau ist auch hier geboren, hat hier acht Jahre die Schule besucht, ihren Schulabschluss aber in der Türkei gemacht. Sollen Menschen wie sie jetzt bestraft werden, weil ihre Eltern entschieden haben, wieder zurück in die Türkei zu gehen? Wir würden da in ganz umständliche Verhältnisse geraten. Ich bin für klare und einfache Regeln.