Wieder kritisiert CSU-Chef Horst Seehofer die Kanzlerin – diesmal wegen der vermeintlichen Aufgabe des Franz-Josef-Strauß-Leitsatzes, dass es rechts neben der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe. Funktionäre beider Schwesterparteien sind vom Dauerstreit genervt.

Berlin - Der Münchner Flughafen, benannt nach dem früheren Ministerpräsidenten, ist nur einen kleines Indiz dafür, wie sehr Franz-Josef Strauß bis heute das bayerische Selbstverständnis prägt. Der 1988 Verstorbene, der bis zu seinem Tod 27 Jahre lang ununterbrochen Parteivorsitzender der Christlich-Sozialen Union war, hat eine Vielzahl politischer Losungen hinterlassen. Zum Beispiel jene, die den Münchner Machtanspruch in der Bundespolitik zementiert: „Es ist mir egal, wer unter mir Bundeskanzler wird.“

 

Zum Strauß’schen Erbe zählt auch, dass die CSU dem Volk aktiv aufs Maul zu schauen verspricht und demnach auch besser als andere zu wissen vorgibt, was denn „das Volk“ will. So gab „FJS“ wie heute auch sein Nachfolger Horst Seehofer immer wieder auch Lagebeschreibungen dieser Art von sich: „Die Stimmung im Land lässt sich mit den ‚fünf U’ beschreiben: Ungewissheit, Unsicherheit, Unbehagen, Unruhe und politische Unzufriedenheit.“ Als in der achtziger Jahren „Die Republikaner“ erstarkten, war für Strauß klar, dass man auch für deren Wähler ein Angebot machen müsse – notfalls auch mit derben, tendenziell populistischen Parolen. Daraus wurde die Strauß-Doktrin: „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben!“

Die steht nun im Zentrum der nächsten Runde im unionsinternen Richtungsstreit. Wie sollen CDU und CSU darauf reagieren, dass sich in Gestalt der Alternative für Deutschland (AfD) zumindest vorübergehend eine politische Kraft rechts von der Union etabliert zu haben scheint? Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat in einem Interview nun dazu gesagt, das Strauß’sche Mantra gelte für sie nicht absolut, wenn es nämlich dahingehend verstanden werden würde, dass „Prinzipien relativiert oder gar aufgegeben werden müssten, damit Menschen sich nicht von der Union abwenden“. Seehofer bezeichnete die Aussage seinerseits in mehreren Interviews als „völlig unnötig“: „Wenn nun der Satz von Strauß in Frage gestellt wird, dann ist das auch eine Aufgabe eines gemeinsamen Prinzips von CDU und CSU.“ Dieser Stützpfeiler der Union, legte Seehofer noch nach, sei nun „einsturzgefährdet“.

Kühle Reaktion bei der CDU

In der CDU ist die Reaktion am Montag danach entsprechend kühl. So sei die vermeintliche Strauß’sche Grundregel, hieß es in Parteikreisen, „auch in der Vergangenheit nie von der gesamten Union so formuliert worden“. Entsprechend habe man es „mit Überraschung aufgenommen, dass Seehofer diesem Satz eine derartige Bedeutung als Stützpfeiler der gemeinsamen Arbeit beimisst“. Statt theoretische Diskussionen zu führen, sei es doch „viel entscheidender, Lösungen für die Probleme zu finden, die die Menschen bewegen – aktuell zum Beispiel die stark gestiegene Zahl an Einbrüchen“. Das sieht ein namhafter CSU-Bundestagsabgeordneter, der den ewigen Schwesternstreit als „nicht hilfreich“ bezeichnet, übrigens ganz genauso. Es widerspreche sich doch überhaupt nicht, einerseits wertkonservativen Wähler ein Angebot machen zu wollen und andererseits seine Grundüberzeugungen nicht preisgeben zu wollen.

Dass die Grundüberzeugungen der Kanzlerin aber möglicherweise andere sind als die der Unionsleute, die sich im sogenannten „Berliner Kreis“ zusammengeschlossen haben, liegt jedoch auf der Hand. In einer kürzlich veröffentlichten Erklärung sehen unter anderem der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach und seine beiden baden-württembergischen Kollegen Thomas Dörflinger und Christian von Stetten einen „Linksdrift“ Hand in Hand gehen mit einem „Abwärtstrend“: „Die Ursachen sind nicht nur zu suchen in der Flüchtlingspolitik, sondern auch in der Tatsache, dass die CDU mit ihrem gesellschaftspolitischen Kurs Platz geschaffen hat für eine Partei rechts von ihr.“ Wirklich konkret setzen sich die Unterzeichner der Erklärung in ihren Forderungen jedoch nicht unbedingt von der Gesamtparteilinie ab.

Auch dafür hat Franz-Josef Strauß freilich ein Zitat parat gehabt: „Man muss heftige Worte, aber maßvolle Taten gebrauchen.“