Ob der Bau von Rotoren den Großvogel bedroht, darüber wird gestritten. Das Ministerium weist die Behauptung eines Wissenschaftlers als „eindimensional“ zurück.

Stuttgart - Das vom Aussterben bedrohte Auerhuhn könnte im Schwarzwald durch den geplanten Ausbau der Windenergie im Schwarzwald weiter in Bedrängnis geraten. Darauf macht der Forstwissenschaftler Rudi Suchant, ein bundesweit bekannter Auerhuhnexperte bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg aufmerksam.

 

Denn ausgerechnet auf den windhöffigen Höhenrücken des Schwarzwalds lägen die wenigen, noch großflächig zusammenhängenden Waldlebensräume, die dem bedrohten Waldvogel letzte Rückzugsgebiete böten. Bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen müsse darauf Rücksicht genommen werden, mahnt Suchant. Wissenschaftlich belegbare Aussagen zu Auswirkungen von Windrädern auf Auerhühner aber gibt es nicht, auch keine Langzeitstudien zu diesem Thema.

„Die Energiewende wird nicht am Auerhuhn scheitern“

Im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, zuständig für die FVA und den Naturschutz, ist man nicht amüsiert über diesen Angriff auf die Energiewende. „Diese Aussagen seien nicht abgestimmt“, heißt vielsagend. „Die Energiewende wird nicht am Auerhuhn scheitern“, sagt der Amtschef des Ministeriums, Wolfgang Reimer, „der Naturschutz wird nicht der Killer der Windkraft sein“.

Der Ministerialdirektor relativiert die Mahnung des engagierten Forschers. Die Population halte sich „eigentlich ganz gut“, und das, obwohl es Windräder im Schwarzwald gebe. Reimer kann jedenfalls keinen „logischen Zusammenhang“ zwischen Windrädern und Rückgang erkennen.

Tatsache sei aber auch, dass es „Zielkonflikte“ zwischen Naturschutz und Windkraftanlagen gebe. Diese müssten bei Genehmigungen beachtet werden. Einem ersten Überblick zufolge seien mehr als 50 Prozent der im Windatlas als lukrativ definierten Standorte im ganzen Land aus naturschutzfachlichen Gesichtspunkten unbedenklich, elf Prozent der windhöffigen Standorte aber unterliegen strengen Naturschutzkriterien und seien somit von einer Nutzung ausgenommen.

„Das Auerhuhn leidet am Zustand der Wälder“

Auch der Naturschutzbund Nabu übt sich im Spagat zwischen dem Schutz des bedrohten Waldvogels und dem Ausbau der Windkraft, die unerlässlich ist für die Energiewende. Laut dem Landesvorsitzenden Andre Baumann seien keineswegs die Windräder verantwortlich für den „dramatischen Rückgang“. Ob es überhaupt einen Zusammenhang gebe, müsse erst erforscht werden, sagt Baumann.

Für den Nabu-Chef steht fest: „Das Auerhuhn leidet am Zustand der Wälder.“ Es sei deshalb vom Aussterben bedroht, weil die Forstwirtschaft für eine effektive Holzproduktion dichte und dunkle Wälder geschaffen habe. Der große, schwerfällige Waldvogel hingegen brauche lichte Wälder mit großen Heidelbeerbeständen.

Prompt weist die Forstkammer Baden-Württemberg, die die privaten und kommunalen Waldbesitzer vertritt, den Schwarzen Peter zurück. Im Land werde seit Jahrzehnten naturnahe und nachhaltige Waldwirtschaft betrieben. Die Hauptgründe lägen in der Veränderung und Zerschneidung der Lebensräume, der Störungen durch den Tourismus und – durch den „Anstieg der Prädatorendichte“.

Das wiederum lässt den Schluss zu, dass auch die Jäger ihren Anteil haben, wenn Auerhühner oder deren Gelege zur Beute werden: weil sie zu wenig Füchse schießen und Wildschweine durch Anfütterungen in höhere Lagen locken. Für den Amtschef im Agrarressort jedenfalls ist klar: „Die Gefährdung des bedrohten Auerhuhns kann nicht eindimensional betrachtet werden.“