Das Oberlandesgericht Stuttgart sieht eine Verpflichtung, den Kläger Wolfgang Blumers als Breuninger-Miteigner aufzunehmen – und sich selbst in der Klemme.

Stuttgart - Der Kläger Wolfgang Blumers kann sich im Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart wieder etwas mehr Hoffnung machen, dass ihm Anteile an dem Kaufhausunternehmen Breuninger zugesprochen werden. Zwar hatte schon das Landgericht Stuttgart in seinem Urteil vom Januar 2014 Blumers recht gegeben. Aber nach der ersten Verhandlung vor der Berufungsinstanz, dem OLG, schien der Stuttgarter Rechtsanwalt kaum noch Chancen auf die Anteile zu haben. Die Vorsitzende Richterin Agnes Aderhold, die zugleich OLG-Vizepräsidentin ist, hatte das Urteil der ersten Instanz förmlich zerrissen und angekündigt, noch einmal ganz von vorne zu beginnen.

 

Worum es geht: Im Jahr 2004 wurde die Doppel-Stiftung bei Breuninger, die der 1980 verstorbene Kaufhauschef Heinz Breuninger gebildet hatte, auf Betreiben von dessen Tochter Helga Breuninger aufgelöst. Sie wollte, dass die gemeinnützige Breuninger-Stiftung, die mit Hilfe der Ausschüttungen des Kaufhauses Gemeinwohlprojekte unterstützt, unabhängig wird. In dieser Zeit stand das Unternehmen nicht gut da, und Helga Breuninger hatte nach eigener Darstellung die Sorge, ihre Stiftung könnte bei einer Pleite untergehen.

Zum Zweck der Trennung wurde eine zwischengeschaltete (nicht gemeinnützige) Breuninger-Stiftung, die die Stimmrechte beim Kaufhaus ausübte, aufgelöst. Dafür sorgten die fünf Vorstandsmitglieder dieser Breuninger-Stiftung durch einstimmigen Beschluss. Ursprünglich sollten diese fünf Vorstandsmitglieder danach zusammen das Kaufhaus übernehmen – und der Erlös an die gemeinnützige Stiftung gehen. Zum Zug kamen am Ende aber nur zwei Vorstandsmitglieder: Firmenchef Willem van Agtmael und der Jurist Wienand Meilicke. Wolfgang Blumers und die beiden weiteren Vorstandsmitglieder Theo Henselijn und Benno Stratmann gingen leer aus.

Es gab ein Gentlemen’s Agreement

Warum aus fünf Erwerbern schließlich zwei wurden, ist umstritten und war bereits stundenlang Gegenstand gerichtlicher Erörterungen. Auf jeden Fall hat der Rechtsanwalt Blumers vor drei Jahren Klage gegen van Agtmael und Meilicke eingereicht. Er verlangte einen Anteil an Breuninger, alternativ eine Ausgleichszahlung von 221 Millionen Euro. Das Landgericht sprach ihm zehn Prozent an einer Zwischenholding zu, die 80 Prozent des Breuninger-Kapitals hält.

Das OLG hat Blumers im bisherigen Verhandlungsverlauf vorgehalten, dass er keinen Beleg vorweisen kann, der einen Rechtsanspruch auf die Beteiligung dokumentiert. Dabei ist Richterin Aderhold auch am Mittwoch geblieben, aber sie sagte auch: „Ein Gentlemen’s Agreement gab es auf jeden Fall.“ In der Tat gibt es über die Jahre hinweg zahllose Schreiben der Beteiligten, in denen immer wieder zum Ausdruck gebracht wird, dass letztlich alle fünf ehemaligen Mitglieder des Stiftungsvorstands Breuninger-Eigentümer werden sollten. „Ein Gentlemen’s Agreement ist nicht einklagbar, aber es stellt eine Verpflichtung dar“, sagte die Richterin.

Das Gabler-Wirtschaftslexikon versteht darunter eine „auf die guten Sitten vertrauende, deshalb schriftlich nicht näher fixierte Abmachung zwischen zwei oder mehreren Partnern“. Der holländische Kaufmann Theo Henselijn hatte als Zeuge im Juni diesen Begriff verwendet im Sinne eines Vertragsabschlusses per Handschlag nach alter Kaufmannssitte. Richterin Aderhold bemühte sich erneut, die Parteien zu einem Vergleich zu bewegen; das hatte sie auch schon am ersten Verhandlungstag erfolglos getan. Ihr Argument: „Der Prozess kann den Konflikt nicht lösen. Ein Rechtsstreit wird der Sache einfach nicht gerecht." Auch diesmal ließen die Anwälte von van Agtmael und Meilicke keine Bereitschaft zu einem Vergleich erkennen.

Spannend wird es in dem Prozess am 30. September. Dann sagt Udo Andriof aus, der 2004 als Regierungspräsident die Auflösung der Stiftung genehmigt hatte. Heikel könnte in diesem Fall sein, dass der Stiftungsvorstand bei seinem Auflösungsbeschluss womöglich nicht frei von wirtschaftlichem Eigeninteresse – Erwerb von Breuninger-Anteilen – war. Außerdem ist Helga Breuninger am 30. September als Zeugin geladen. Sie hat sich von Stratmann und Henselijn mögliche Ansprüche auf einen Anteilserwerb abtreten lassen.