Die Gewerkschaft weist den Verdacht der Begünstigung von Betriebsräten zurück. Die Eingruppierungen seien rechtskonform. Die Personalchefin spalte die Belegschaft.

Stuttgart - Im Konflikt um die vermeintliche Begünstigung von Betriebsräten der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG gibt es nun eine weitere juristische Würdigung: Die Gewerkschaft Verdi hat ein Gutachten des Bremer Arbeitsrechtlers Wolfgang Däubler präsentiert, das die Arbeitnehmerseite stützt. Die 2008 vorgenommene Einstufung von drei freigestellten Betriebsräten und des Schwerbehindertenbeauftragten durch den früheren Personalvorstand sei nicht zu beanstanden. Die im September erfolgte drastische Kürzung der Bezüge – Abstufung in niedrigere Entgeltgruppen und Streichung von Aufwands- und Mehrarbeitspauschalen – sei nicht rechtskonform. Die Ansprüche seien 2008 mithilfe von Anwälten bewertet worden. Das sei maßgebend.

 

Verdi-Bezirksgeschäftsführer Cuno Hägele erhob in einer Pressekonferenz schwere Vorwürfe: Das vom gesamten SSB-Vorstand abgesegnete Vorgehen der neuen Arbeitsdirektorin Sabine Groner-Weber sei „bösartig“ und als „Angriff auf einen engagierten und kritischen Betriebsrat“ zu verstehen. Ziel sei, Belegschaft und Arbeitnehmervertretung zu spalten.

Betriebsrat klagt über Schikanen

Thomas Asmus, der stellvertretende Betriebsratschef, sowie der Schwerbehindertenbeauftragte Wolfgang Hoepfner sagten, derzeit gebe es fast keinen Kontakt zum Vorstand. Es herrsche zudem der Eindruck, Groner-Weber versuche, dem Gremium mit kleinlichen Maßnahmen das Leben schwer zu machen.

Negativ wird ihr seitens Verdi nicht nur ausgelegt, ohne die Gegenseite anzuhören, die Gehälter „Knall auf Fall“ gekürzt und eine Rückzahlung von Teilbeträgen veranlasst zu haben. Kritisch wird auch gesehen, dass sie vor der Verpflichtung der Kanzlei Gleiss Lutz Rat beim Juristen Volker Rieble geholt habe. Er ist Direktor des Zentrums für Arbeitsbeziehung und Arbeitsrecht, das Arbeitgeberverbände über eine Stiftung finanzieren. Rieble zählt laut IG Metall „zum Kreis der Hochschullehrer, die scheinbar unabhängig und im Dienst von Forschung und Lehre auftreten, sich aber tatsächlich von Arbeitgebern finanzieren lassen“.

Verdi: OB macht eine schlechte Figur

Auf Unverständnis ist bei Verdi auch das Verhalten des SSB-Aufsichtsratsvorsitzenden Fritz Kuhn (Grüne) gestoßen. Der OB habe sich vorschnell auf die Seite Groner-Webers gestellt, anstatt sich für eine einvernehmliche Lösung einzusetzen. Hägele ließ keinen Zweifel daran, dass sich die Betriebsräte juristisch zur Wehr setzen würden. Besser wäre, einen Kompromiss zu finden. Die Spielräume seien vorhanden.

Die Betriebsratstätigkeit ist ein Ehrenamt, freigestellte Räte dürfen es bei Lohnfortzahlung während der Arbeitszeit ausüben. Eine normale, mit Höhergruppierungen verbundene Karriere in der Firma wäre damit ausgeschlossen. Um diese Benachteiligung zu verhindern, werden zur Beurteilung die Laufbahnen vergleichbarer Kollegen herangezogen.

Zu steile Karriere des Betriebsratschefs?

Die virtuelle Karriere des Betriebsratschefs Klaus Felsmann – vom Bus- und Bahnfahrer (unterste Entgeltgruppe F mit Zulagen) zum Dienststellenleiter (E 12 mit Funktionszulage) – hält Groner-Weber für unrealistisch. Däubler und Verdi meinen, so ungewöhnlich sei der Aufstieg nicht. Alle Betriebshofleiter seien ehemalige Busfahrer. Es gebe auch individuelle Gründe dafür, dass statt 4310 Euro brutto 5740 Euro im Monat angemessen seien. Däubler hält die gewährten Zulagen für Aufwendungen und Mehrarbeit (bei Felsmann 2100 Euro im Monat) für zulässig. Sogar deren pauschale Abgeltung beurteilt er aus Vereinfachungsgründen als legal, sofern die Höhe der Leistung regelmäßig überprüft würde.

Pauschalen gelten allerdings als „Einfallstor“ für die Begünstigung von Betriebsräten. In einem Urteil von 2012 sah das Arbeitsgericht Stuttgart einen finanziellen Ausgleich für Mehrarbeit kritisch und akzeptiert ihn nicht als dauerhafte Pauschale. Überstunden seien allenfalls anrechenbar, wenn sie wegen der „Eigenart des Betriebes, der Gestaltung des Arbeitsablaufs oder der Beschäftigungslage die Erfüllung von Amtsgeschäften außerhalb der individuellen Arbeitszeit zwingend notwendig“ seien. Und dann seien sie vorrangig durch Freizeit abzugelten. Für Thomas Asmus ist das kein gangbarer Weg, da der Betriebsrat personell ohnehin viel zu knapp besetzt sei.