Nach der tödlich verlaufenden Massenpanik 2015 in Mekka zum Höhepunkt der muslimischen Pilgerfahrt Hadsch streiten das saudische Königshaus und Irans Religionsführer jetzt auch um politische Ziele in dieser Region.

Mekka - Einen derart hasserfüllten Schlagabtausch zum Hadsch hat es seit einer Generation nicht mehr gegeben. Nur in den Gründungsjahren der Islamischen Republik nach 1979 fielen die beiden Kontrahenten am Golf ähnlich wüst übereinander her wie dieser Tage.

 

Die schrille Tonlage setzte Anfang der Woche Irans Revolutionsführer Ali Khamenei, der das saudische Königshaus als „kleine, kümmerliche Teufel“ und als „Mörder“ abkanzelte, die sich nach der tödlichen Massenpanik 2015 „absichtlich grausam“ verhalten hätten. Empört retournierte der saudische Obermufti und sprach allen Schiiten den Status als Muslime ab, was Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif als „bigotten Extremismus“ zurückwies.

Keine Entschuldigung bei Opfern

Die iranische Führung ärgert vor allem, dass Saudi-Arabien nach der größten Hadsch-Katastrophe aller Zeiten, die letztes Jahr mehr als 2400 Menschen das Leben kostete, darunter 460 Iranern, immer noch keinen Untersuchungsbericht vorgelegt, geschweige denn sich bei den Familien der Opfer entschuldigt hat. Dem inkompetenten saudischen Königshaus müsse die Aufsicht über die heiligen Stätten in Mekka und Medina entzogen werden, giftete Khamenei.

Stattdessen nun sind es die iranischen Pilger, die erstmals seit drei Jahrzehnten von der muslimischen Wallfahrt ausgeschlossen sind. Bis heute vermissen Familien aus mehr als 30 Ländern ihre Angehörigen, die von den saudischen Behörden nach dem Massensterben vermutlich irgendwo in Mekka anonym begraben wurden. Fest steht lediglich, dass zur Unglückszeit einer der Zugänge zur Jamarat-Brücke bei Mina, wo die Pilger symbolisch den Teufel steinigen, geschlossen war.

Furcht vor einem Erstarken des Irans

Wer diese Blockade veranlasst hat, ob es gar jemand aus der Königsfamilie mit seinem Gefolge war, darüber schweigt sich Riyadh aus. Auch die Gesamtzahl der Toten beziffert Saudi-Arabien wider besseren Wissens nach wie vor auf 769. Beide Kontrahenten am Golf befinden sich seit Jahren in einem Kalten Krieg, der sich nach dem erfolgreichen Atomabkommen Teherans erheblich verschärfte.

Saudi-Arabien fürchtet ein Wiedererstarken der Islamischen Republik, die im letzten Jahrzehnt durch ein beispielloses internationales Sanktionsregime in Schach gehalten wurde. Iran wiederum will erneut regionale Hegemonialmacht werden und liefert sich daher auf allen Schlachtfeldern des Nahen Osten – in Syrien, Irak und Jemen – harte Konflikte mit der ölreichen Monarchie. Zwei Millionen Pilger werden in diesem Jahr wieder in der Geburtsstadt des Propheten erwartet. Umgerechnet 2000 bis 5000 Euro muss ein Muslim berappen, ein VIP-Hadsch mit Luxushotel und Blick auf die schwarze Kaaba kann leicht das Zehnfache kosten.

Elektronisches Armband für Pilger

Man habe keine Mühe gescheut, optimal für die Sicherheit und den Komfort aller Pilger zu sorgen, erklärte Innenminister und Vizekronprinz Mohammed bin Nayef. Die Zufahrtswege zur Jamarat-Brücke wurden noch einmal verbreitert, die Zeit für das Steinigungsritual auf zwölf Stunden begrenzt. Obendrein bekommen alle Pilger erstmals ein elektronisches Armband, auf dem ihre persönlichen Daten gespeichert sind. Neben den fünf täglichen Gebeten, den Almosen, dem Glaubensbekenntnis und dem Fasten im Monat Ramadan gehört der Hadsch zu den fünf Säulen des Islam. Laut Koran sollte jeder Muslim einmal im Leben an der großen Wallfahrt teilnehmen. Zunächst umrunden die Beter sieben Mal die Kaaba in der Großen Moschee.

Höhepunkt des Hadsch ist das Gebet auf dem Berg Ararat, 15 Kilometer östlich von Mekka. Hier soll der Prophet Mohammed im siebten Jahrhundert seine letzte Predigt gehalten haben. Bis zum Sonnenuntergang bitten die Gläubigen Gott um Vergebung – für viele Pilger der emotionalste Moment der Wallfahrt, weil sie dies als Vorahnung auf das Jüngste Gericht empfinden.

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