Die Stadträte streiten über eine Standard-Resolution zu den Nachhaltigkeitszielen der UN.

Sindelfingen - Dass ausgerechnet Punkt elf der Tagesordnung am Dienstagabend in der Sitzung des Sindelfinger Gemeinderats eine leidenschaftliche Diskussion auslösen würde, das hatte wohl niemand so erwartet. Jeder Beobachter und wohl auch die meisten Stadträte hätten darauf gewettet, dass die Unterstützungserklärung für die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen einfach per Handheben durchgewunken werden würde. War die Tagesordnung doch sehr lang mit 22 Punkten allein für die öffentliche Sitzung, darunter auch sehr habhafte wie Bebauungsplanaufstellungen. Doch der FDP-Rat Andreas Knapp, der auch sonst selten ein Blatt vor den Mund nimmt, redete sich regelrecht in Rage. „Diese Vorlage bewegt sich an der Lächerlichkeitsgrenze. Sie erinnert mich an die DDR-Zeit, als die Gemeinderäte Grußbotschaften für Beschlüsse der SED senden mussten.“ Jetzt müsse das Sindelfinger Gremium Grußbotschaften an die Vereinten Nationen nach New York schicken. „Da knallen jetzt sicher die Sektkorken wegen uns Sindelfingern.“

 

Ein FDP-Stadtrat beklagt fehlenden Hirnschmalz

Die Vorlage, mit der die Stadt Sindelfingen sich verpflichtet, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN) auf kommunaler Ebene umzusetzen, darunter so hehre Werte wie die Abschaffung der Armut, eine nachhaltige Energieversorgung und verantwortungsvoller Konsum, sei „ohne jeden eigenen Hirnschmalz“, wetterte Knapp. Und legte nach: „Wir bekommen bei uns in der Stadt nichts zeitgerecht hin, sämtliche Haushalte werden verspätet eingebracht, sämtliche Bauprojekte ziehen sich wegen Personalmangels. Und jetzt engagieren wir uns in Algier und Kamerun.“ Er forderte, die Verabschiedung der Nachhaltigkeitsziele zu vertagen, „bis die Stadt zum ersten Mal einen Haushalt zeitgerecht einbringt“.

Seine sehr emotionale Rede löste Empörung im Gemeinderat aus. Fast die Hälfte des Gremiums, und zwar quer durch alle Fraktionen, von der CDU bis zu den Linken, fühlte sich berufen, Knapp zu widersprechen. „Herr Horn, Sie scheinen mit Ihrer Abteilung die Interessen meiner Generation zu vertreten“, sagte der 21 Jahre alte Grünen-Rat Tobias Bacherle zu Martin Horn vom städtischen Büro für Internationale Angelegenheiten, der die Nachhaltigkeitsziele vorgestellt hatte. „Spätestens beim Thema Vermeidung von Fluchtursachen schließt sich der Themenkreis zu uns als Kommune“, sagte Markus Hess ( CDU). „Nachhaltige Energieversorgung ist schon lange ein Sindelfinger Thema“ , befand Ingrid Balzer, die Fraktionschefin der Freien Wähler.

Der Oberbüergermeister wundert sich

Der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer zeigte sich – an Andreas Knapp gewandt – verwundert, „dass diese Ziele zur nachhaltigen Entwicklung zu einem solchen emotionalen Beitrag führen. Sie werden mich nie zu einer Politik bringen, die am Kirchturm endet.“

Den Antrag Knapps auf Vertagung lehnten die Stadträte ab. Bei vier Enthaltungen stimmten sie der Resolution zur nachhaltigen Entwicklung zu. „Sindelfingen ist nun die 38. Kommune in Deutschland, die sich verpflichtet hat, die Ziele auf kommunaler Ebene zu gestalten“, sagte Martin Horn vom Internationalen Büro. Aus der Region seien auch Waiblingen und Rottenburg am Neckar dabei. Sie alle tragen nun den Titel Global Nachhaltige Kommune.