Seit April rotiert das erste Windrad im Kreis Ludwigsburg. Die Debatte um das umstrittene Projekt geht mit unverminderter Schärfe weiter, und die Gerüchteküche brodelt.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ingersheim - Man hätte denken können, dass wieder Ruhe einkehrt. Manch einer hat gehofft, dass, sobald der Rotor fest im Wind steht, die ganze Aufregung verfliegt. Dass die Kritiker resignieren und dass aus Gegnern wieder Freunde werden. Nichts von alledem ist geschehen. Seit Jahren wird über das Windrad auf der Ingersheimer Höhe gestritten, und die offizielle Inbetriebnahme der 180 Meter hohen Anlage im April dieses Jahres änderte daran nichts, im Gegenteil: In jüngster Zeit nehmen die gegenseitigen Vorwürfe eher an Schärfe zu. „Die Atmosphäre zwischen einzelnen Leuten hier ist vergiftet“, sagt ein Anwohner aus dem Husarenhof.

 

Die Wohnsiedlung ist so etwas wie die Keimzelle des Widerstands gegen den Rotor, der nur knapp 700 Meter von den Häusern entfernt ist. Jetzt sagt Walter Müller, der Sprecher der Initiative Gegenwind Husarenhof: „Alle unsere Befürchtungen haben sich bestätigt.“ Und Müller fügt hinzu, dass sich inzwischen selbst ehemalige Befürworter des Windrads auf die Seite der Kritiker geschlagen hätten. „Denn der Rotor ist laut.“ Gerade nachts fühlten sich viele Bürger belästigt. Ein anderes Mitglied der Initiative vergleicht das Geräusch mit dem eines Flugzeugs. Auch der flackernde Schatten, den der Rotor bei Sonnenschein werfe, sei störend.

Der Lärm, der Schattenschlag – es sind die altbekannten Themen, über die in Ingersheim und der Nachbarkommune Besigheim debattiert wird. Aber dabei bleibt es nicht. Walter Müller erwähnt, dass einige Anwohner überzeugt seien, dass das Windrad häufig gar nicht mit Wind, sondern mit einem Motor angetrieben werde. Anders, so Müller, sei nicht zu erklären, dass sich der Rotor auch bei absoluter Flaute drehe. Die hinter dem Projekt stehende Energiegenossenschaft sei offenbar gewillt, die Öffentlichkeit über den Nutzen der Anlage zu blenden. „Wir wissen aus sicherer Quelle, dass der Stromertrag des Windrads in Wirklichkeit blamabel ist.“

Godel: Zweite Anlage ist denkbar

Dieter Hallmann, der Sprecher der Energiegenossenschaft, dementiert alle diese Gerüchte vehement. Die Geschichte über den Motor sei Unsinn, und die Genossen seien sehr zufrieden mit dem Stromertrag. Die 3,6 Millionen Euro teure Anlage soll Strom für rund 1200 Haushalte produzieren. „Alles deutet darauf hin, dass unsere Erwartungen voll erfüllt werden.“

Während die Bürgerinitiative von einer wachsenden Zahl an Kritikern spricht, sehen die Windkraft-Befürworter einen entgegengesetzten Trend. Hallmann sagt, es habe seit der Inbetriebnahme nahezu keine Beschwerden gegeben, was auch der Ingersheimer Bürgermeister Volker Godel bestätigt. „Mein Eindruck ist, dass in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz für das Windrad vorhanden ist.“ Dass vereinzelt Gegner immer wieder Gerüchte streuten, zeuge von mangelnder Sachkunde. „Oder das ist der bewusste Versuch, die Öffentlichkeit zu irritieren.“ Godel ist erklärter Anhänger der Windenergie und hält den Bau einer zweiten Anlage auf Ingersheimer Markung für denkbar.

Dagegen hätte auch Albert Krauter nichts, der Verpächter des Grundstücks, auf dem das bislang einzige Windrad im Kreis Ludwigsburg steht. Krauter ist selbst Genossenschaftsmitglied und Inhaber eines Bauernhofs, 500 Meter sind es von dort bis zu der Windkraftanlage. Die Stromausbeute liege im Rahmen der Planung, sagt Krauter. Der Schattenschlag sei kein Problem, laut sei der Rotor auch nicht.

Schallgutachten sind Bedingung gewesen

Auch über Albert Krauter kursiert ein Gerücht im Husarenhof. Es besagt, dass er sein Grundstück nur zur Verfügung gestellt habe, weil er sich mit der Pacht eine goldene Nase verdiene. Absoluter Quatsch sei das, sagt Krauter dazu. Die Pachteinnahmen seien gering und für ihn völlig nebensächlich. „Ich war schon immer ein Anhänger von erneuerbaren Energien“, betont Krauter und erzählt eine weitere Anekdote: „Ich habe auch schon von Leuten gehört, die glauben, dass der Rotor mit Muskelkraft angetrieben wird – indem dort oben Leute in einer Art Hamsterrad laufen. Es ist einfach nur lächerlich.“

Was den Lärm angeht, werden bald erstmals belastbare Zahlen auf dem Tisch liegen. In den kommenden Wochen werden Schallgutachter analysieren, ob die vorgeschrieben Grenzwerte eingehalten werden. Das Landratsamt hatte diese Nachprüfung einst als Auflage an die Betreiber in die Baugenehmigung aufgenommen. Dieter Hallmann rechnet mit einem eindeutigen Ergebnis. „Es gibt keine Hinweise, dass die Anlage Geräusche produziert, die außerhalb der Norm sind.“

Wenn das zutrifft, könnte auch die juristische Auseinandersetzung bald beendet sein. Ein Windkraftgegner hat beim Stuttgarter Verwaltungsgericht gegen den Bau des Windrads geklagt, und die Entscheidung des Gerichts steht noch aus. Man warte nur noch auf das Ergebnis des Lärmgutachtens, heißt es aus Stuttgart.