Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas wehrt sich gegen den Vorwurf, sein Amt habe Kommunen in die Enge gedrängt – und damit den Streit um die Kreiselkunst erst ausgelöst. „Das Land hat uns dieses Thema eingebrockt“, sagt Haas.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)
Ludwigsburg – Demonstrationen, eine Klage und ein umstrittener Erlass: der Streit über Kreiselkunst in Baden-Württemberg hat seinen Ursprung im Kreis Ludwigsburg. Rainer Haas stand zuletzt massiv in der Kritik. Der Vorwurf: das Landratsamt habe die Vorgaben aus Stuttgart zu rigide interpretiert und Kommunen in vorauseilendem Gehorsam dazu gedrängt, Kunstwerke von Kreisverkehren zu entfernen. Der Landrat weist dies zurück.
Herr Haas, Sie stehen in der Kritik, Ihre Mitarbeiter auch, ebenso das Verkehrsministerium – und bundesweit wird über die Kreiselposse berichtet. Wer hat Schuld an dem Kommunikationsdesaster?
Der Ablauf war in der Tat nicht glücklich. Dass man uns in Stuttgart erst strenge Vorgaben macht und hinterher sagt, das sei alles so nicht gemeint gewesen, ist schon überraschend. So wünscht man sich das nicht.

Der Verkehrsminister Winfried Hermann hat jetzt erklärt, Behörden sollten bei der Prüfung der Kreisel künftig mit mehr Augenmaß vorgehen. Es sei eben nicht so, dass Kreiselkunst immer entfernt werden müsse.
Es scheint in der Tat so, dass das Ministerium den ursprünglichen Erlass gelockert hat. Wir werden das sorgfältig prüfen und dann sehen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Muss die Bevölkerung damit rechnen, dass weitere Kunstwerke abgebaut werden?
Darüber möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht spekulieren – wir haben die ergänzenden Hinweise zu dem Erlass auf offiziellem Weg noch nicht einmal erhalten. Wir als Landkreis haben das auch nicht zu entscheiden. Bei den Sicherheitsprüfungen der Verkehrsschaukommission, die wir jetzt nochmals durchführen werden, sind Sachverständige dabei. Auch die Polizei spielt eine wichtige Rolle. Und wenn die sagt, dass ein Kunstwerk weg muss, haben wir schlechte Karten. Aber immerhin ist das Land offenbar um Schadensbegrenzung bemüht, seit man in Stuttgart die Brisanz erkannt hat.

Haben Sie mit derart heftigen Reaktionen der Bevölkerung gerechnet?
Ich hätte in der Tat nicht erwartet, dass die emotionale Bindung der Bürger an diese Kunstwerke so stark ist.

Waren Sie zu unsensibel?
Es war nicht meine Idee, gegen die Kreiselkunst vorzugehen. Im Gegenteil: auch ich fand den Erlass von Anfang an überzogen. Das Land hat uns das eingebrockt.

Aber Ihr Amt hat schnell auf den ersten Erlass reagiert und frühzeitig Druck auf Kommunen ausgeübt, Kunstwerke zu entfernen. Nicht doch etwas übereifrig?
Ich meine, nein. Das Land hat ja insgesamt bei 100 Kreisverkehren Handlungsbedarf gesehen, und mehr als 30 Hindernisse wurden in anderen Kreisen bereits entfernt. Im Kreis Ludwigsburg standen bisher vor allem die zwei vom Land als besonders gefährlich eingestuften Kreisel zur Debatte, in Löchgau und Gerlingen. Die hätten wir nach den Vorgaben des Landes schon Ende Juni 2012 abräumen müssen. In Großbottwar haben wir noch keine Verfügung erlassen, sondern gemeinsam einen Alternativstandort gefunden. Aus diesen Zahlen lässt sich doch nicht ableiten, unsere Mitarbeiter hätten überreagiert. Sie haben nur umgesetzt, was ihnen von einer höheren Behörde zwingend vorgegeben wurde.

Löchgau hat gegen den geplanten Abbau des Nagelkreises geklagt. Dort heißt es, das Landratsamt habe sich knallhart gezeigt und gedroht, die Kreiselkunst notfalls im Alleingang zu entfernen. Hätten Sie sich den ganzen Ärger nicht sparen können?
Genau dies ist nicht der Fall. Wir sind als untere Verwaltungsbehörde schlicht an die Vorgaben der oberen Behörden gebunden. Außerdem habe ich das verwaltungsgerichtliche Verfahren, das die Gemeinde Löchgau eingeleitet hat, zum Anlass genommen, die beabsichtigten Maßnahmen ab sofort auszusetzen. Wir warten jetzt auf die Entscheidung des Gerichts, vorher passiert sowieso nichts. Wir haben versucht, pragmatische Lösungen für die jeweiligen Kreisel zu finden: Tempolimits, bauliche Veränderungen vor den Mittelinseln, Warnschilder. Aber das wurde vom Stuttgarter Regierungspräsidium nicht akzeptiert. Was hätten wir tun sollen?

Andere Landkreise haben den ersten Erlass weniger streng interpretiert.
Das bezweifle ich. In unserem Fall gab es klare Vorgaben, die Aussagen des Regierungspräsidiums waren eindeutig. Im Übrigen sind ja auch viele andere Landkreise tätig geworden, was die Zahlen belegen. Wir konnten das nicht ignorieren, und dazu stehe ich. Hätte ich mich dagegen gestellt und den Erlass links liegen lassen, wäre ich das Risiko einer zivil- und strafrechtlichen Haftung für den Landkreis eingegangen. Und einen vorbestraften Landrat wollte ich Ihnen und mir ersparen.

Aber Sie haben sich viel Ärger eingehandelt.
Man stelle sich vor, im Kreis Ludwigsburg kollidiert jetzt ein Auto mit einem solchen Kunstwerk, vielleicht noch mit Personenschaden. Dann würde die Debatte ganz anders laufen. Mir hat jemand geschrieben, wir sollten die Objekte einfach stehen lassen. Wenn ein Betrunkener dagegen fahre, sei er doch selbst schuld. Das ist eine Sichtweise, die ich nicht teilen kann.

Glauben Sie, dass die Diskussion Ihrem Ansehen geschadet hat? In Löchgau wurde gar gegen Ihr Landratsamt und für den Erhalt des Nagelkreisels demonstriert.
Das glaube ich nicht. Wir hatten schon deutlich schwierigere Themen. Wir sollten die Kreisel im Dorf lassen. Wenn es hier aktuell kein wichtigeres Thema gibt als Kunstwerke auf Kreisverkehren, scheint es uns ja ganz gut zu gehen. Ich nehme aber die Anliegen der Bürger ernst und bin froh, dass wir uns mit den nun – dem ersten Eindruck nach – eingeräumten Spielräumen auf einem Weg zum Konsens befinden.