Als Teilerfolg feiert die EnBW das erste Schiedsurteil zu ihren Russland-Geschäften. Tatsächlich ist es ein Erfolg vor allem für den Lobbyisten Andrey Bykov.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die EnBW schien sich ihrer Sache sicher zu sein. Man solle doch abwarten, bis im Streit um die undurchsichtigen Russlandgeschäfte das erste Schiedsverfahren beendet sei, vertröstete sie Medienvertreter schon seit Monaten. Dann würden „wesentliche Sachverhalte“ geklärt und etliche Fragen gegenstandslos.

 

Nun liegt die Entscheidung des Stockholmer Schiedsgerichts vor – und klar ist weniger denn je. Offiziell spricht der Karlsruher Energiekonzern zwar von einem Teilerfolg gegen die Firmengruppe des Moskauer Lobbyisten Andrey Bykov. Wohl nicht zufällig kommunizierte er das schon länger bekannte Urteil an einem Freitagnachmittag, auf dass die Medien nicht mehr allzu genau nachfassen könnten. Doch bei näherer Betrachtung erweist sich der Spruch als Erfolg vor allem für Bykov.

Gericht hält Verträge für unklar

Der schillernde Geschäftsmann muss danach zwar 24,5 Millionen Euro zurückerstatten, weil er einen Vertrag über die Lieferung von Uran nicht erfüllt habe. Aber er darf 35,6 Millionen Euro behalten, die ihm die EnBW vorab für einen Uran-Lager- und -Sicherungsvertrag gezahlt hatte. Noch gravierender ist die von der EnBW referierte Begründung: Wegen der „nicht hinreichenden Klarheit“ des Vertrages und einer Kooperation auch im Gasgeschäft habe das Gericht die Möglichkeit eines Zusammenhangs nicht ausgeschlossen. Näher untersucht habe es diesen jedoch nicht.

Genau jener Zusammenhang ist es, den die EnBW vehement bestreitet – und den Bykov unbeirrt behauptet. Nicht für Geschäfte im nuklearen Bereich, so seine Version, habe er die Millionen bekommen, sondern für Lobbyarbeit mit dem Ziel des Zugangs zu Gasquellen. Das für ihn erfreuliche Urteil will der Russe vorerst nicht kommentieren. Auch zur Frage, warum er für den angeblich bestens dokumentierten Zusammenhang laut EnBW „keine Beweise vorgelegt” habe, lässt er zunächst unbeantwortet. Aus seinem Umfeld verlautet nur, man sei „ verwundert”, wie die Karlsruher den Richterspruch dargestellt hätten. Zu gegebener Zeit werde Bykov reagieren.

Villis verschwieg Kooperation mit Bykov

Unstrittig ist inzwischen, dass die EnBW mit Bykov sehr wohl im Gasbereich zusammenarbeitete. Schon früh hatte der einstige Konzernchef Gerhard Goll bestätigt, dass er 2002 mit Hilfe des Lobbyisten an russisches Gas kommen wollte, entsprechende Bemühungen aber ohne Erfolg blieben. Golls Nachnachfolger Hans-Peter Villis verschwieg dagegen lange, dass auch er mit Bykov kooperierte. Konkrete Fragen der StZ ließ er ausweichend beantworten, selbst bei der Bilanzpressekonferenz vermied er den Namen tunlichst.

Dabei ging es dort um Villis’ Versuch, im großen Stil russisches Gas für die EnBW zu sichern. Die Pläne seien nach einigen Monaten beerdigt worden, weil sie den Konzern überfordert hätten. Erst als er mit den Fakten konfrontiert wurde, musste der Vorstandschef Farbe bekennen. Jawohl, Bykov sei eingeschaltet gewesen, als der EnBW 2007/2008 eine Beteiligung an zwei Gasfeldern des russischen Staatskonzerns Alrosa angetragen wurde. Er habe die Koordination eines möglichen Angebots übernommen, auf das man dann doch verzichtete. Seine Dienste seien „angemessen vergütet” worden, ein Zusammenhang mit den Nukleargeschäften bestehe nicht.

„Keine Pflichtverstöße durch Claassen“

Doch mit dem Scheitern des Alrosa-Geschäfts, das wird immer deutlicher, begann das Zerwürfnis zwischen der EnBW und Bykov. Die „erheblichen Schwierigkeiten im Management-Bereich“, die der Russe via StZ dem Konzern bescheinigte, waren offenkundig auf Villis gemünzt. Auch aus unternehmensnahen Kreisen verlautet, der Konzernchef habe durch sein ungeschicktes Agieren bei den Russland-Verhandlungen viel Porzellan zerschlagen.

Sein Vorgänger Utz Claassen scheint derweil aus dem Schneider zu sein. Man habe „keine Hinweise auf Pflichtverletzungen“ von seiner Seite gefunden, teilte die EnBW mit; deswegen werde von ihm auch kein Regress gefordert. Schon zu Claassens Zeiten waren einige der Russland-Geschäfte der Tochtergesellschaften nach Unternehmensangaben Thema im Konzernvorstand. Doch der Ex-Konzernchef sieht darin keinen Widerspruch zu früheren Angaben: Er habe nur gesagt, keine Kenntnis von den betreffenden Verträgen gehabt zu haben. Über die geplanten Geschäfte mit den Bykov-Firmen im Nuklearbereich sei er sehr wohl informiert gewesen – ebenso wie der Aufsichtsratsvorsitzende.

Wer vermittelte den Kontakt zu den Landräten?

Claassen dementiert übrigens strikt, die Kontakte zwischen Bykov und den Landräten des EnBW-Großaktionärs Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) vermittelt zu haben. Wer aus dem Unternehmen aus welchen Gründen meinte, die Kreischefs müssten den Russen unbedingt kennenlernen, verraten bis heute weder die EnBW noch die OEW. Das sei für die Öffentlichkeit „unerheblich”, so der Konzern.

Nun wartet man in Karlsruhe auf das Ergebnis zweier weiterer Schiedsverfahren, die in Berlin und Zürich laufen. In einigen Monaten soll sich dort vollends klären, wie viele von den an Bykov gezahlten 130 Millionen Euro zurückfließen - sofern der Russe „die Gepflogenheiten internationaler Handelsbeziehungen achtet“ und das nicht verbindliche Urteil befolgt. Die Verfahrens selbst und die interne Aufarbeitung der Russland-Geschäfte sind auch nicht gerade billig: Beides hat die EnBW nach aktuellem Stand bereits fünf Millionen Euro gekostet.