Lange galt in Sillenbuch als ausgemacht, dass ein neues Bürgerzentrum das in die Jahre gekommene und nicht barrierefreie Rathaus ersetzen wird. Weil der Neubau aber als zu teuer gilt, wird über die Sanierung gestritten. Vertreter von Behinderten und Senioren sprechen sich für ein Umdenken aus.

Sillenbuch - Bezirksvorsteher Peter-Alexander Schreck sagt, dass er mittlerweile Fatalist geworden ist. Zumindest, wenn es um sein Bezirksrathaus geht, lohne sich die Aufregung nicht mehr, sagt er. Es geht nicht voran bei dem von Schreck unterstützten Vorhaben, seinen Amtssitz für alle erreichbar zu gestalten. Rollstuhlfahrer müssen eine Treppe überwinden, um ihn oder andere Mitarbeiter der Verwaltung sprechen zu können. Die Stadt hatte im März eine Kehrtwende angekündigt. Nachdem im Herbst 2015 bekannt wurde, dass die Stadt ein angestrebtes Bürgerzentrum als Ersatz für das Rathaus an der Aixheimer Straße für zu teuer hält, wurde wieder über eine Sanierung des in die Jahre gekommenen Gebäudes gesprochen.

 

Die Krux dabei war und ist, dass das Gebäude nicht der Stadt gehört, sondern von der Landesbank LBBW gemietet ist. Die Stadt versprach, in Verhandlungen mit dem Vermieter zu treten. Strittig ist, wie lange sich die Stadt an das Gebäude bindet. Denn die LBBW erklärt, dass sie Investitionen von einem Mietvertrag über zehn Jahre abhängig macht. Dies kommt für die Stadt nicht in Frage. Thomas Zügel, Leiter des Amts für Liegenschaften, kündigte im Frühjahr an, dass sich eine neue Mitarbeiterin um die Gespräche mit der LBBW kümmern sollte. Zwei Monate später hieß es, dass die neue Kraft in ihrem Amt mit der Flüchtlingsunterbringung voll beschäftigt sei. Momentan stünden neue Gespräche mit der LBBW an, sagt Thomas Zügel.

Gefühl von Vernachlässigung im Bezirk

Bezirkschef Peter-Alexander Schreck zeigt sich enttäuscht, dass es keinen Fortschritt bei den Verhandlungen gibt. Er spricht von einem Gefühl vieler Sillenbucher, dass die Verwaltung es mit Projekten im Bezirk generell nicht eilig habe. „Das passt dann schon ins Bild“, sagt Schreck.

Jutta Pagel-Steidl tritt als Vorsitzende des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung (LVKM) für Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden ein. Sie lacht, als sie hört, wie zäh Bezirksbeiräte und Bezirksverwaltung in Sillenbuch um ein barrierefreies Rathaus ringen müssen. „Wenn es ums Geld geht, ist das oft so“, sagt sie. Pagel-Steidl ist durchaus der Meinung, dass die Verwaltung auch andere Prioritäten setzen darf, als die Barrierefreiheit durch Sanierungen oder Neubau zu gewährleisten. Finanzmittel ließen sich nun mal nur einmal ausgeben, meint sie. „Das spricht die Verwaltung aber nicht von der Verantwortung frei, ihren Grips anzustrengen“, sagt sie. Sie findet, dass in Sillenbuch zumindest vorübergehend auch eine organisatorische Lösung gefunden werden könne, wenn eine bauliche derzeit nicht in Frage kommt.

Vorbild Schwarzach

Pagel-Steidl erklärt, was sie damit meint und erzählt von der Gemeinde Schwarzach im Neckar-Odenwald-Kreis. „Da war auch kein Geld für eine Sanierung da, und der Bürgerservice ist vorübergehend in ein Einzelhandelsgeschäft eingezogen, das ebenerdig zu erreichen war“, sagt Pagel-Steidl. Die Vorsitzende des LVKM hält es für bedenklich, dass die Stadt den Arbeitsaufwand für die Flüchtlingsunterbringung als Grund nennt für den Stillstand bei den Verhandlungen mit der LBBW über das Sillenbucher Bezirksrathaus. „Da sollte die Stadt aufpassen, dass sie die Interessen zweier hilfsbedürftiger Gruppen nicht gegeneinander ausspielt“, sagt sie.

Ähnlich kritisch sieht das auch die erste Vorsitzende des Stadtseniorenrats, Renate Krausnick-Horst. „Ich halte das für eine Ausflucht. Die Flüchtlingskrise hat ja erst vor einem Jahr so richtig begonnen. Die Probleme mit den barrierefreien Bezirksrathäusern in Stuttgart bestehen aber schon viel länger“, sagt sie. Denn nicht nur in Sillenbuch gebe es ein Bezirksrathaus, das nicht den besonderen Anforderungen älterer oder behinderter Menschen entspricht, klagt sie. In einigen dieser Rathäuser gebe es eine Klingel. „Dann kommt jemand, um zu helfen“, sagt sie. Eine dauerhafte Lösung sei das aber nicht. Auch bei der von Pagel-Steidl angeregten temporären Verlegung des Bürgerservice hat Renate Krausnick-Horst Vorbehalte. „Da müsste es genaue Angaben der Stadt geben, wie lange so ein Provisorium bestehen soll. Sonst ist das viel zu vage“, sagt sie.

Renate Krausnick-Horst weiß zwar nichts zu berichten von Senioren, die sich bei ihr über den beschwerlichen Weg zum Sillenbucher Bürgerservice beklagt haben. Dennoch will sie mit der Stadt erörtern, wie die Mängel im Sillenbucher Rathaus behoben werden könnten. „So, wie es jetzt ist, ist es einfach nicht in Ordnung“, sagt sie.