Im Koalitionsvertrag verspricht die grün-schwarze Landesregierung Hilfe für den Schienenverkehr. Aber Geld für den Kauf von neuen Stadtbahnzügen gibt es immer noch nicht.

Stuttgart - Die Stadtbahnlinien der SSB sind auch ohne Feinstaubalarm immer stärker ausgelastet: Vor allem in den Hauptverkehrszeiten geht es auf vielen Verbindungen – etwa der U 2, der U 1, der U 9 oder der U 13 sehr eng zu. Die U 9 ist morgens gegen 7.30 Uhr im Bereich Schloss-/Johannesstraße im Westen zu knapp 90 Prozent ausgelastet. Auch auf anderen Linien in der Innenstadt gilt um diese Zeit das Prinzip Ölsardine.

 

Doch die Anschaffung dringend benötigter Stadtbahnen steht wegen leerer Kassen auf der Kippe. „Uns brennt der Kittel“, sagt der SSB-Technikvorstand Wolfgang Arnold. Aber ohne Landeszuschüsse für den Kauf zusätzlicher Bahnen könne man den Nahverkehr der Landeshauptstadt nicht mehr ausbauen. Zwar habe Grün-Schwarz die Förderung von Schienenfahrzeugen in den Koalitionsvertrag geschrieben. „Doch das notwendige Geld ist immer noch nicht in Sicht“, klagt Arnold. Dabei hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) bereits im April vom Land einen jährlichen Fördertopf in Höhe von 250 Millionen Euro für den Kauf von Bussen und Bahnen gefordert. Damit müssten neben Stuttgart auch Karlsruhe, Mannheim, Ulm und Freiburg unterstützt werden.

Bedarf an weiteren 20 neuen Zügen besteht

Vom Land ist aber nichts zu hören, was Stuttgart, die SSB und andere kommunale Verkehrsverbünde zufriedenstellen könnte. „Das Thema Fahrzeugförderung wird noch geprüft“, erklärt Edgar Neumann, Sprecher des Verkehrsministeriums. Klarheit gebe es frühestens Ende des Jahres, wenn der Haushaltsentwurf eingebracht sei und der Finanzausschuss getagt habe.

Bei den SSB ist das Thema Fahrzeugfinanzierung seit April noch drängender geworden. „Wir hätten längst weitere 20 Stadtbahnen bestellen müssen“, betont Arnold. Wegen der ausstehenden Landeszuschüsse werde man den Kauf so lange wie möglich hinauszögern. „Aber spätestens Mitte 2017 müssen wir handeln“, betont der SSB-Manager. Eine von den SSB allein für rund 80 Millionen Euro finanzierte Tranche mit 20 Bahnen sei bereits im Bau. „Die ersten Züge werden von Januar an ausgeliefert“, so Arnold. Die Bahnen seien unter anderem erforderlich, um von August 2017 an auf der neuen Stadtbahnlinie U 12 zwischen Remseck und Dürrlewang 80 Meter lange Züge einsetzen zu können.

Um bestehende Kapazitätsprobleme auf der Linie U 8 zu lindern, setzen die SSB bereits seit Mai morgens zwischen Nellingen und Vaihingen zwei Verstärkerzüge ein. Mittelfristig sei dort ein Zehn-Minuten-Takt erforderlich. Der sei aber ohne zusätzliche Bahnen nicht zu realisieren.

Die Zacke braucht dringend neue Wagen

Für die Stadtbahnlinie U 2 gibt es seit Kurzem eine Entlastung durch die U 19, die auf Wunsch des Gemeinderates seit Mitte Oktober dauerhaft zwischen Neugereut und der Station Stadion im Neckarpark verkehrt. In fünf Jahren soll die Endhaltestelle gut 600 Meter weiter vor dem Mercedes-Museum liegen. Deswegen müsse die eigentlich dringend gebotene Verlängerung von Bahnsteigen auf der Linie U 1 wahrscheinlich zurückgestellt werden.

In der Gegenrichtung könnte die U 19 eines Tages über Neugereut bis nach Schmiden/Oeffingen rollen. Entlastung bestehender Linien soll von 2019 an die U 16 bringen, die in den Hauptverkehrszeiten zwischen Fellbach, Bad Cannstatt und Giebel verkehrt. Auf der großen Wunschliste steht auch eine Stadtbahn-Linie U 6 zwischen Feuerbach und dem Flughafen.

Doch es gibt noch mehr Probleme: Die bei den Stuttgartern beliebte Zacke hat Karies. Die drei Zahnrad-Bahnen, die seit 1982 zwischen Marienplatz und Degerloch fahren, müssen ersetzt werden. Für neue Bahnen müsste auch das Depot am Alten Zahnradbahnhof vergrößert werden.

„Für alle Pläne sind Landeszuschüsse erforderlich“, so Arnold. Bis 2005 habe das Land die Hälfte der Kosten für eine vier Millionen Euro teure Stadtbahn getragen. Außerdem benötige man Fördermittel für den Bau eines vierten Stadtbahn-Betriebs- und -Wartungshofs im Norden.

Dass die SSB dringend Geld brauchen, hat 2015 ein öffentlicher Kassensturz deutlich gemacht. Demnach droht bis 2030 im schlimmsten Fall ein Defizit von bis zu 900 Millionen Euro. Das Unternehmen braucht in Zukunft höhere Zuschüsse von Bund, Land und Stadt: Geld, um das Stadtbahnnetz zu sanieren und auszubauen.