Der Streit um Stuttgart 21 hat in der grün-roten Koalition erneut Gräben offen gelegt. Die SPD fühlt sich hintergangen.

Stuttgart - Der Streit um Stuttgart 21 hat in der grün-roten Koalition in Baden-Württemberg erneut Gräben offen gelegt. Die SPD fühlt sich durch Äußerungen von Grünen-Abgeordneten gepiesackt und wirft dem Koalitionspartner vor, das Bahnhofsprojekt weiterhin behindern zu wollen – zumindest bis zur Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart im Herbst. Der Unmut zielt inzwischen direkt auf den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

 

Der Vorhalt lautet, der Regierungschef habe – flankiert von Verkehrsminister Winfried Hermann und dem Chef der Staatskanzlei, Klaus-Peter Murawski – massiv versucht, den Polizeieinsatz zum Abriss des Südflügels abzuwenden. Auch bei der Bahn sei das Trio in diesem Sinne tätig geworden. Von einer konstruktiven Begleitung des Projekts, wie nach der Volksabstimmung angekündigt und versprochen, könne keine Rede sein. „Hintenherum ist das Verhalten vor allem destruktiv“, heißt es in SPD-Kreisen. „Man bekommt den Eindruck, dass da ein doppeltes Spiel getrieben wird.“ Mit allen Mitteln werde versucht, den Baufortschritt zu verzögern. So sei Innenminister Reinhold Gall (SPD) intensiv bearbeitet worden, den Polizeieinsatz am Südflügel abzublasen. Kretschmann sei „da persönlich zugange gewesen“, wird aus der SPD kolportiert.

Taktische Überlegungen zur Stuttgarter OB-Wahl

Dort erkennt man hinter dem Verhalten des Koalitionspartners taktische Überlegungen zur Stuttgarter OB-Wahl im Herbst. Die Grünen wollten ihrer Klientel glauben machen, dass der Tiefbahnhof doch noch irgendwie zu verhindern sei. „Die verschleppen das Thema in den Oktober, damit doch noch ein Kritiker von Stuttgart 21 antreten kann“, heißt es in der SPD.

Das Staatsministerium bestreitet die Vorhaltungen. Ministerpräsident Kretschmann halte sich an seine Zusage einer kritischen Begleitung von Stuttgart 21. Dies beinhalte aber, „dass wir auch Probleme aufzeigen“. Verwiesen wird auf die Schwierigkeiten der Bahn bei der Auftragsvergabe für den Tiefbahnhofstrog und die Tunnels nach Feuerbach und Bad Cannstatt.

Immerhin: im Streit um die abwartende Haltung der Landesregierung in der Frage der Baumfällarbeiten im mittleren Schlossgarten fanden die Koalitionäre am Donnerstag zu einer gemeinsamer Position. Nach Auskunft des Innenministerium war es angezeigt, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) über einen Eilantrag der Umweltschutzorganisation BUND abzuwarten, ehe die Bäume gefällt werden. „Bei Eilanträgen gibt es keinen Sofortvollzug“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Zwar habe der Eilantrag keine aufschiebende Wirkung, doch laufe die Polizei Gefahr, dass der Einsatz bei einem ungünstigen Votum des Gerichts nachträglich rechtswidrig werde.