Die Stiftung Warentest darf den Schokoladenhersteller Ritter Sport aus Waldenbuch bezüglich eines Vanillearomas in Schokolade weiterhin nicht der Verbrauchertäuschung bezichtigen.

München - Die Stiftung Warentest muss eine weitere juristische Niederlage im seit Monaten andauernden Streit mit dem Schokoladenhersteller Ritter Sport einstecken. Das Oberlandesgericht München hat am Dienstag eine frühere Entscheidung des Landgerichts bestätigt, wonach es den Warentestern per einstweiliger Verfügung untersagt bleibt, die Ergebnisse eines Schokoladentests aus dem vergangenen Herbst weiter zu verbreiten. Ritter war bei dem Test wegen einer angeblichen Falschdeklaration und Verbrauchertäuschung auf die Note „mangelhaft“ heruntergestuft worden. Die Verbraucherorganisation war in Berufung gegangen und hat nun erneut das Nachsehen. Eine Revision ist nicht möglich.

 

Hintergrund der Auseinandersetzung ist eine winzige Zutat in der Schokolade aus Waldenbuch: das Vanillearoma Piperonal, von dem 0,3 Milligramm in jeder der quadratischen Tafeln von Ritters Voll-Nuss-Schokolade enthalten sind. Warentest bemängelte in einem Testurteil vom November 2013, dass der Stoff auf der Verpackung zu Unrecht als „natürliches Aroma“ ausgewiesen werde. Tatsächlich handele es sich aber um eine chemisch erzeugte Zutat, so der Vorwurf, den die Ritter-Verantwortlichen nicht auf sich sitzen lassen wollen.

In der Verhandlung vor der 18. Zivilkammer am OLG ging es auch darum, wie das Aroma nun tatsächlich erzeugt wird. Beide Seiten hatten im früheren Verlauf des Verfahrens Sachverständige aufgeboten, die ihre jeweilige Position bestätigten. Die von Warentest ist: Es gibt kein industrielles Herstellungsverfahren, in dem Piperonal auf natürlichem Weg erzeugt werden kann; nachgewiesen seien lediglich voll- beziehungsweise halbsynthetische Produktionsmethoden. Ritter liegt dagegen eine Garantieerklärung von seinem Aromalieferanten Symrise vor, die das exakte Gegenteil besagt. Allerdings hat der Produzent den eigenen Herstellungsprozess bisher nicht vollständig offengelegt, mit der Begründung, dies sei ein Geschäftsgeheimnis.

Das Herstellungsverfahren und die Auslegung der europäischen Aromenverordnung könnten Gegenstand eines späteren Hauptverfahrens sein, stellte die Vorsitzende Richterin Eva Spangler klar: „Der Beweis kann in diesem Verfahren nicht geführt werden.“ Entsprechend reagierte Stiftung Warentest auf den Richterspruch: Es sei nicht um die Frage gegangen, ob das für die Voll-Nuss-Schokolade verwendete Piperonal ein natürlicher oder ein chemisch hergestellter Aromastoff sei. Stiftung Warentest wolle die Begründung des Urteils abwarten und dann über weitere Schritte entscheiden.

Der 18. Zivilkammer des OLG ging es am Dienstag lediglich um die presserechtliche Bewertung der Berichterstattung von Warentest. Selbst wenn sich irgendwann herausstellen sollte, dass die Stiftung richtig gelegen hätte, so die Richterin, würde das nichts daran ändern, dass die Organisation mit ihrer Berichterstattung übers Ziel hinaus geschossen sei. Die Richter stuften die von Warentest aufgestellte Tatsachenbehauptung – „Wir haben den chemisch hergestellten Aromastoff Piperonal nachgewiesen“ – als nicht gerechtfertigt ein. Damit sei gegenüber dem Leser der Eindruck erweckt worden, man habe den chemischen Herstellungsprozess nachgewiesen. „Es hat sich für den Laien so dargestellt, als ob sie Beweis geführt hätten“, sagte Spangler. Stattdessen habe es sich nur um eine Schlussfolgerung gehandelt. Angesichts dieser Umstände mahnten die Richter eine größere Zurückhaltung der Warentester an. Die Nachweispflicht sah die Kammer auf der Seite der Testorganisation und nicht beim Schokoladenproduzenten. Der Anwalt von Stiftung Warentest kritisierte das Urteil als Beschränkung der Pressefreiheit. Die Gegenseite forderte er in scharfen Worten dazu auf, das Produktionsverfahren offenzulegen: „Dieser Fall stinkt zum Himmel.“ Symrise habe mehrfach widersprüchliche Angaben gemacht. Zunächst sei von einem Ausgangsstoff für die Herstellung des Piperonals die Rede gewesen, später von mehreren. Als Produktionsstätte sei zunächst ein Werk in den USA genannt worden, später eines in China. Die Gegenseite wies die Vorwürfe zurück: Man habe verschiedene Wege aufgezeigt, auf denen Piperonal natürlich hergestellt werden könne. „Es gibt mikrobiologische, physikalische oder enzymatische – und eben auch geheim gehaltene Verfahren“, sagte einer der Symrise-Anwälte. „Die Stiftung Warentest hat dieses Mal einfach falsch gelegen“, fügte ein Ritter-Anwalt hinzu.

Für den Schokoladenhersteller Ritter steht einiges auf dem Spiel. Der mittelständische Betrieb mit Sitz in Waldenbuch hat 2008 einen Weg eingeschlagen, der es ihm ermöglichen soll, sich langfristig von der starken internationalen Konkurrenz im Schokoladenmarkt abzuheben: die Umstellung auf natürliche Rohstoffe und der Verzicht auf künstliche Aromen in allen Rezepturen. Ritter wirbt mit diesem Image und hat damit die Marke gestärkt, die zu den beliebtesten in Deutschland zählt. Umso wichtiger ist der Aromastreit, schließlich wird das umstrittene Vanillearoma in allen Sorten eingesetzt, von Trauben-Nuss über Marzipan bis Erdbeer-Joghurt.