Der Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel ist sich mit dem französischen Ökonomen und Buchautor Thomas Piketty einig, dass die Schere zwischen Arm und Reich aufgeht.

Berlin - Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will als Politiker gesehen werden, der über den Tag hinausdenkt. „Wirtschaft für morgen“, heißt eine Veranstaltungsreihe seines Hauses, bei der Gabriel mit hochrangigen Gästen über globale Trends und wirtschaftspolitische Themen spricht. Vor Kurzem war Google-Aufsichtsratschef Eric Schmidt zu Besuch, nun hat Gabriel den französischen Starökonomen Thomas Piketty eingeladen. Piketty hat mit seinem Bestseller „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ für Furore gesorgt. Vor allem in den USA fand das Werk, das die Gründe für die Ungleichheit in Industrieländern untersucht, reißenden Absatz.

 

Vor kurzem ist das Buch auch auf deutsch erschienen. Gleichwohl hat die Debatte um Pikettys Thesen inzwischen an Fahrt verloren. Das Buch verkauft sich zwar auch hierzulande gut, doch Piketty räumt ein, dass die Einkommensverteilung sehr unterschiedlich sei. „In den USA hat es einen sehr viel größeren Anstieg der Ungleichheit gegeben als in Europa“, meint der Ökonom. Dennoch ist Piketty der Meinung, dass auch Europa nach Wegen suchen muss, damit die Kluft zwischen Arm und Reich nicht weiter zunimmt.

Die Reallöhne sind stagniert

In der Analyse ist sich Gabriel mit dem Gast aus Frankreich einig . „In den meisten Industrieländern, auch in Deutschland, ist die Schere zwischen Arm und Reich auseinander gegangen“, sagt Gabriel. Dieses Spannungsverhältnis untergrabe den Glauben, dass jeder aus eigener Kraft aufsteigen könne. Gabriel mahnt, die Stimmung in der Bevölkerung zur Kenntnis zu nehmen. Viele Menschen hätten das Gefühl, dass die ökonomischen Erfolge einseitig den Eliten zugeflossen seien. „Während die Reallöhne stagnierten, sind die Managergehälter durch die Decke gegangen“, so Gabriel. Auf die Spreizung bei den Einkommen müsse die Politik reagieren.

Anders als sein Gast aus Frankreich hält Gabriel allerdings nicht mehr viel von einer Besteuerung der Vermögen. Er sei früher „Vorsitzender des Fanclubs für die Vermögensteuer gewesen, meint Gabriel launig. Damals war er noch niedersächsischer Ministerpräsident und holte sich mit entsprechenden Forderungen eine Abfuhr der Bundes-SPD. Inzwischen habe er dazugelernt, bekennt Gabriel. „Eine Vermögensteuer hat in Deutschland keine Chance.“ Er begründet dies damit, dass eine Abgrenzung von privaten und betrieblichem Vermögen kaum möglich sei. Würde die Vermögensteuer in Deutschland wieder eingeführt, träfe dies den Mittelstand. Das will Gabriel vermeiden. „Die Vermögensteuer ist tot“, sagt er.

Jeder Bäckermeister zahlt mehr Steuern als Google

Der oberste Sozialdemokrat will woanders ansetzen. Die Politik müsse den „irrsinnigen“ Steuerwettbewerb innerhalb Europas beenden. Was über die Luxemburger Steuervergünstigungen für Konzerne bekannt geworden ist, sei gängige Steuerpraxis in mehreren Ländern. „Jeder Bäckermeister in Berlin zahlt einen höheren Steuersatz als Google“, erklärt Gabriel. Allein in Deutschland gingen durch Gewinnverlagerungen in Steueroasen 150 Milliarden Euro verloren. Die Politik dürfe nicht hinnehmen, dass in der EU aktive Großkonzerne satte Gewinne machten und nichts für die Allgemeinheit täten. Mit dieser Praxis will Gabriel Schluss machen.

Der SPD-Parteivorsitzende hält noch einen anderen Vorschlag aus dem Parteiprogramm parat. Die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, die 2009 von SPD-Finanzminister Peer Steinbrück eingeführt worden ist, soll wieder abgeschafft werden. Mit der Einführung des automatischen Informationsaustauschs von Bankdaten sei ein vergünstigter Steuersatz für Kapitalerträge überflüssig. Gabriel erwartet aber, dass in dieser Wahlperiode wenig passiert. Denn die Union wolle daran nichts ändern.