Kurz vor der OB-Wahl am 21. Oktober treten die beiden aussichtsreichsten Kandidaten Fritz Kuhn (Grüne) und Sebastian Turner mit offenem Visier gegeneinander an – und sprechen darüber, was sie bei Stuttgart 21 trennt.

Stuttgart - Neun Kandidaten wollen bei der OB-Wahl am Sonntag die Nachfolge von Wolfgang Schuster antreten – zwei von ihnen besitzen realistische Siegchancen: der 57-jährige Fritz Kuhn (Grüne) und der 46-jährige Sebastian Turner (wird von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützt). Die Stuttgarter Zeitung hat beide zum Streitgespräch ins Pressehaus gebeten. Wie sehen ihre Pläne bei den wichtigsten politischen Projekten aus?

 


Herr Kuhn, Sie sind wegen Ihrer Haltung zum Bahnhof ein Kostenrisiko, das fast sein ganzes Leben von Diäten gelebt und nichts als Strategiepapiere verfasst hat, der zudem die Autofahrer abkassiert und schikaniert – und noch schlimmer, nicht einmal englisch kann. Finden Sie, Herr Turner und sein Team haben Sie richtig charakterisiert?
Kuhn Es ist so gut wie alles falsch, was da gesagt wurde und nur das Zerrbild, einer von Angst getriebenen Kampagne. Das mit den Diäten müsste Herr Turner auch Angela Merkel sagen, die ihn unterstützt hat. Die anderen Geschichten stimmen nicht. Sie gehören ins Reich der schlechten Fantasie. Ich glaube aber, dass sie gegen den sprechen, der sie gegen mich richtet.

Herr Turner, Sie sind kein Unternehmer mit Herz und Seele, sondern ein Multimillionär und Rentier, weil Sie in jungen Jahren Ihren Betrieb verkauft haben. Zudem sind Sie ein Foulspieler, der keine Verwaltungserfahrung hat, vor Verleumdungen nicht zurückschreckt und sich die Wahlkampfkosten teilweise von der Wirtschaft bezahlen lässt. Finden Sie, Herr Kuhn hat Sie gut getroffen?
Turner Nein.

Warum nicht?
Turner Weil die Aussagen falsch sind. Ich bin bis heute Unternehmer mit Herz und Seele seit meinem 15. Lebensjahr, ich habe meinen ersten Gewerbeschein hier in Stuttgart geholt. Mir das Herzblut als Unternehmer abzusprechen, finde ich grotesk. Daraufhin kam meine Reaktion: Das sagt jemand, der sein ganzes Leben von Diäten gelebt hat, die von den Menschen aufgebracht werden, die sich so verhalten wie ich. Ich lebe nicht von der Politik. Das lasse ich mir ungern von Ihnen vorwerfen.
Kuhn Wieso haben Sie dann Frau Merkel zu Ihrem Wahlkampf eingeladen?
Turner Frau Merkel ist eine der populärsten Politikerinnen und Staatslenkerinnen in Europa.
Kuhn Aber sie lebt von Staatsgeldern und Diäten.
Turner Da ist auch gar nichts dagegen zu sagen. Aber Frau Merkel würde niemals sagen, dass ein Unternehmer nicht für ein politisches Amt kandidieren soll.
Kuhn Ich habe gesagt, dass Sie kein Unternehmer mehr sind, weil ein mittelständischer Unternehmer nicht mit Mitte 40 das Geschäft niederlegt. Der schafft und verwaltet nicht nur seine Beteiligungen.
Turner Sie sind doch selber nie in der Rolle gewesen. Wie wollen Sie also wissen, was ein Unternehmer machen sollte und was nicht?
Kuhn Das ist doch dummes Geschwätz! Sie glauben doch nicht, dass ein Mensch wie ich nicht weiß, was Unternehmer machen, Herr Turner! Sie maßen sich ja auch an, zu wissen, was Politiker machen.
Turner Ich habe ein deutliches Bild von dem, was Sie in der Vergangenheit gemacht haben. Da erlaube ich mir schon ein Urteil.

Kommen wir zu Sachfragen. Das Thema Stuttgart 21 hat erneut Brisanz bekommen: Der Brandschutz weist große Mängel auf, Züge entgleisen. Herr Turner, Sie wollen den Bahnhof möglichst schnell bauen. Wie soll das unter diesen Umständen möglich sein?
Turner Das Thema Brandschutz zeigt, wie die Rolle des künftigen Stuttgarter OB sein muss. Er sollte dafür sorgen, dass der Bahnhof sicher gebaut wird. Die Brandschutzmängel sind von den Experten der Stadt schon aufgezeigt worden. Der OB muss die Bahn unter Druck setzen, dass sie ihre Arbeit macht, und er muss gegenüber denjenigen Farbe bekennen, die das Projekt nicht wollen. Ein OB, der wie Herr Kuhn den Bahnhof nicht will, wird auf mögliche Probleme nicht frühzeitig hinweisen.
Kuhn In der Kampagne, die Sie gegen mich unternehmen, stellen Sie die These auf, ich sei ein Kostenrisiko für das Projekt. Jetzt kann jeder sehen, wie falsch das ist. Das größte Kostenrisiko für das Projekt ist die Schlamperei bei der Bahn – der Berliner Flughafen lässt grüßen. Dass in Stuttgart beim Bahnhof das Brandschutzkonzept nicht besteht, wissen wir doch schon seit 2002 und spätestens seit der Schlichtung. Stuttgart 21 plus hat vorgesehen, dass die Bahn ein neues Brandschutzkonzept erarbeitet. Das ist nicht geschehen.
Turner Der Berliner Flughafen wurde komplett von Politikern kontrolliert. Politiker haften als Personen nicht für die Kosten, die sie produzieren. Darin liegt auch eine Ursache für viele Versäumnisse.
Kuhn Berlin macht etwas ganz anderes deutlich, Herr Turner. Befürworter eines Projekts schauen oft lieber nicht so genau hin, wenn etwas schief läuft.
Turner Nein, es ist für mich eine Frage der Mentalität. Ein Unternehmer, der sein ganzes Leben für Kosten gehaftet hat, geht mit einer anderen Einstellung ran. Ich könnte jetzt auch grüne Politiker nennen, die in Aufsichtsräten von Banken gesessen haben und die mit angesehen haben, wie die Bankenkrise entstanden ist.


Das vollständige Streitgespräch lesen Sie am Dienstag in der Stuttgarter Zeitung und auf Stuttgarter-Zeitung.de – der zweite Teil des Streitgesprächs folgt dann am Mittwoch.