Herr Gründinger, wie sehen Sie das?
Gründinger: Ich bin der Meinung, dass man die versicherungsfremden Leistungen in der Höhe sehr genau definieren und genau diesen Betrag aus Steuermitteln gegenfinanzieren muss. Da bin ich nahe bei Herrn Heinritz. In einem anderen Punkt möchte ich ihm allerdings widersprechen.
Und zwar?
Gründinger: Alle Statistiken zeigen, dass die heute Älteren die am reichsten ausgestattete Altersgruppe in Deutschland sind. Wir haben dagegen ein Problem mit Kinderarmut. 18,2 Prozent aller Kinder leben von Sozialhilfe. Dagegen sind nur 2,6 Prozent der über 65-Jährigen sind auf staatliche Grundsicherung angewiesen. Es ist wahrscheinlicher, auf ein armes Kind zu treffen als auf einen armen Rentner.
Was folgt daraus für Sie?
Gründinger: Dass das heutige Rentensystem nicht mehr zukunftsfähig ist, wenn es für Bezieher niedriger Einkommen in die Altersarmut führt. Es geht nicht, dass Menschen ein Leben lang in die Rentenkasse einzahlen und am Ende nur eine Leistung in Höhe der Grundsicherung erhalten. Grundsicherung bekommt ja jeder, auch wenn er nicht gearbeitet hat. Da führt sich das System ad absurdum. Und noch etwas ärgert mich maßlos.
Was denn?
Gründinger: Die Politik sagt den Menschen, dass sie privat vorsorgen müssen. Wer das mit einer Riester-Police beherzigt und 40 Jahre lang zum Mindestlohn arbeitet, der muss sich die Prämie am Ende auf die Grundsicherung anrechnen lassen. Eine Unverschämtheit.
Stimmt die Balance im System auch deshalb nicht mehr, weil die Alten auf Kosten der Jungen leben?
Gründinger: Die Frage führt in die Irre. Im Sinne des Generationenvertrages leben die Alten auf Kosten der Jungen. Das ist halt so. Heinritz: Vorsicht, bitte! Die Formulierung, dass die Alten auf Kosten der Jungen leben würden, ist schon sehr überspitzt. Die Jungen zahlen ja ein, damit sie später auch mal eine Rente bekommen. Wir sitzen alle in einem Boot, und früher haben wir gerudert.
Herr Gründinger, andersherum gefragt – müsste man den Älteren etwas nehmen, damit die Aussichten für die Jüngeren besser werden?
Gründinger: Ich hätte nichts dagegen, das schwarz-rote Rentenpaket aus Mütterrente und abschlagsfreier Rente mit 63 für langjährig Versicherte wieder rückgängig zu machen. Es kostet bis 2030 mindestens 160 Milliarden Euro. Das sind unvorstellbare Summen, quasi über Nacht freigegeben für außerplanmäßige Rentenerhöhungen zugunsten einzelner privilegierter Rentnergruppen. Was wir brauchen, sind Reformen, die wirklich helfen.
Welche?
Gründinger: Wir brauchen eine Art Freibetrag bei der privaten Vorsorge, damit das Geld daraus nicht auf die Grundsicherung angerechnet wird. Dann sollten niedrige Löhne im Rentensystem höher bewertet werden. Schließlich sollte das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden.