Die strengeren Richtlinien bei der Vergabe von Immobilienkrediten stoßen auf Kritik. Die Zahl der Bewilligungen ist stark gesunken.

Stuttgart - Verbraucherschützer haben zurzeit alle Hände voll zu tun. Auf der einen Seite müssen sie darauf hinweisen, dass die Widerrufsfrist für ältere Immobilienkredite am 21. Juni ausläuft – auf der anderen Seite müssen sie die Verbraucher aber auch darüber aufklären, dass es nicht mehr so einfach ist, einen neuen Kredit zu bekommen. Beides hängt mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie der Europäischen Kommission und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften zusammen, das der Bundestag Ende März verabschiedet hat.

 

Ausgangspunkt der EU-Entscheidung ist die seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase. Fast alle Anlageformen bringen kaum noch Rendite, und gleichzeitig sind die Konditionen für Kredite in den Keller gerauscht. Da ist es für viele Verbraucher verlockend, sich den Traum des eigenen Heims zu erfüllen. Bei Zinssätzen bis unter zwei Prozent ist die Finanzierung oft günstiger als die Miete. Allerdings wird dabei auch in manchen Fällen übersehen, dass die monatliche Belastung in der Regel viele Jahre anhält – und sie deutlich höher ausfallen wird, wenn über kurz oder lang die Zinsen wieder steigen. Dadurch werden Erinnerungen wach an den Ausgangspunkt der Finanzkrise. Damals hatten viele US-Bürger – angeregt durch politische Appelle nach den Anschlägen vom 11. September 2001 – einen Immobilienboom ausgelöst. Die Banken finanzierten, was nur möglich war, weil der damalige US-Präsident George Bush den Amerikanern versprochen hatte, dass sie sich ein gutes Leben leisten können sollten.

Das ging schief. Um dem vorzubeugen, haben das Europäische Parlament und der EU-Rat bereits im Februar 2014 eine Richtlinie erlassen. Das Ziel war, eine zu laxe Kreditvergabe in der EU zu bremsen. Die Finanzkrise habe gezeigt, dass unverantwortliches Handeln von Marktteilnehmern die Grundlagen des Finanzsystems untergraben könne, hieß es damals in der Begründung. Verbraucher hätten das Vertrauen in den Finanzsektor verloren und Kreditnehmer hätten zunehmend Schwierigkeiten, ihre Kredite zu bedienen, was zu einem Anstieg von Zahlungsausfällen und Zwangsvollstreckungen führe.

Banken müssen seit März strenger die Kreditwürdigkeit prüfen

Die Bundesregierung hatte daraufhin im September 2015 ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Im Februar stimmten Bundestag und Bundesrat der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu, am 21. März trat sie in Kraft. Banken müssen jetzt strenger prüfen, ob sich ein Kunde einen Kredit leisten kann. Seitdem beurteilt die Bank bei der Immobilienkreditvergabe die Kreditwürdigkeit insbesondere anhand der Höhe des laufenden Einkommens und des frei verfügbaren Vermögens. Auch wenn bislang nur vereinzelt Immobilienkäufer kein Darlehen mehr bekommen: Die Bank will mehr Sicherheiten sehen.

Da beginnt das Dilemma für die Verbraucherschützer. Es ist durchaus verlockend für Kreditkunden, die vor dem 10. Juni 2010 einen langlaufenden Hypothekenkredit abgeschlossen haben, diesen Kredit zu kündigen, wenn er eine fehlerhafte Widerrufserklärung beinhaltet. Was aber passiert, wenn der Kunde dann bei der Bank nach den nun strengeren Kriterien keinen neuen Kredit bekommt? Die Banken dürfen nach der neuen Richtlinie nur noch das laufende Einkommen und Vermögen berücksichtigen, mögliche Einkommenssteigerungen oder der Wertzuwachs des Hauses fallen nicht mehr in die Kalkulation ein. Und weil die Banken zudem nach dem neuen Gesetz Gefahr laufen, sogar in Haftung genommen zu werden, wenn ein Kunde bei gestiegenen Zinsen seinen Kredit nicht mehr bezahlen kann, sind sie restriktiver geworden. Um mindestens 20 Prozent seien die Kreditzusagen in den ersten zwei Monaten schon gesunken, lauten die ersten Schätzungen in der Branche, auch wenn es für abschließende Aussagen viel zu früh ist.

Die Verbraucherschützer sprechen von überzogenem Verbraucherschutz

Für die Verbraucherschutzverbände ist das überzogener Verbraucherschutz. Und auch die Bankenverbände sind mit der Lösung nicht glücklich, haben allerdings noch keine einheitliche Position gefunden. Unterdessen ist man im Bundesfinanzministerium weiter eifrig auf der Suche, wie man das „Kreditrisiko“ weiter minimieren kann – was nicht unbedingt im Interesse der Beteiligten liegt. Nach Informationen des „Handelsblatts“ soll es jedoch schon einen Gesetzentwurf geben, der erweiterte Eingriffsmöglichkeiten für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vorsieht. Die Aufsichtsbehörde soll demzufolge die Möglichkeit erhalten, eine Obergrenze festzulegen, bei der alle Darlehensverpflichtungen eines Schuldners in Relation zu seinem Einkommen gesetzt werden. So soll eine Überschuldung verhindert und die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen reduziert werde.

Zudem enthalte der Gesetzentwurf einen Wert, der das Kreditvolumen ins Verhältnis zum Marktwert der Immobilie setzt. Dadurch würde sich das Risiko für die Bank reduzieren, wenn der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.