Bei vier von fünf Angeboten wären die Stadtwerke Stuttgart im Netzbetrieb nur der Juniorpartner oder gar nicht vertreten. Mitte bis Ende März entscheidet der Stuttgarter Gemeinderat, wer die Konzessionen für Strom und Gas erhält.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Noch ist die Stadt Stuttgart am Sichten und Bewerten der Unterlagen, die die vier Bewerber für die Strom- und Gaskonzession Ende Dezember eingereicht haben – eines aber ist schon klar: Es wird immer wahrscheinlicher, dass die Stadtwerke Stuttgart zu Beginn beim Betrieb der Netze nicht das Ruder in der Hand haben. Denn alle Bewerber haben, wenn die Gerüchte stimmen, ein Kooperationsangebot vorgelegt, nach dem die Stadtwerke zwar in der Eigentümergesellschaft die Mehrheit besitzen, nicht aber in der Betreibergesellschaft – und die ist maßgeblich dafür, wer im operativen Geschäft die Marschrichtung vorgibt.

 

Mehrere Bürgerinitiativen in Stuttgart und auch die Ratsfraktion der SÖS/Linke haben sich schon immer für eine rein kommunale Lösung ausgesprochen. Kurt Henzler vom Klima- und Umweltbündnis Stuttgart betont, dass Stuttgart nur dann bei der Energiewende wirklich vorankommen könne, wenn die Stadt über den Ausbau und die Umgestaltung der Netze selbst bestimmen könne. Vor allem für das Zuschalten von effizienten neuen Blockheizkraftwerken, die bei der Energiewende eine große Rolle spielen könnten, sei die Macht über die Netze wichtig, sagen viele Experten. Umgekehrt ist der Netzbetrieb aber gesetzlich stark reguliert, alle Bewerber sind ebenfalls längst auf dem Weg zur Energiewende, und mancher wie Veolia bietet sogar eine bürgerschaftliche Teilhabe am Netz an.

Die Konzessionsabgabe liegt derzeit bei 50 Millionen Euro

Ganz vom Tisch ist die rein oder mehrheitlich kommunale Lösung aber noch nicht. Denn die Stadtwerke Stuttgart – und auch die EnBW – haben nicht nur ein Kooperationsangebot abgegeben, sondern auch eine Bewerbung als Alleinkonzessionär. Kämen die Stadtwerke allein zum Zug, läge der kommunale Einfluss bei 100 Prozent; würde die EnBW das Rennen machen, bliebe alles wie bisher: Der Energiekonzern überwiese eine Millionensumme (derzeit 50 Millionen Euro pro Jahr) an die Stadt und müsste sich nicht hineinreden lassen.

Im Moment sind also fünf Varianten denkbar: Neben der Alleinkonzession für die Stadtwerke oder die EnBW ist eine Kooperation der Stadtwerke mit einem der drei Bewerber möglich, also entweder mit der EnBW oder dem Duo EWS Schönau und Stadtwerke Schwäbisch Hall oder dem Trio Veolia, BS Energy und LHI.

Beobachter sind von dieser Ausgangslage nicht überrascht. Es sei klar, dass die Bewerber für eine Kooperation am Anfang beim Betrieb die Führung innehaben wollten, weil sie diesen ja auch mit ihrer Mannschaft verantworten müssten und damit das Risiko trügen. Die Stadtwerke Stuttgart seien derzeit personell gar nicht in der Lage, den Betrieb alleine zu stemmen. Die Befürworter der kommunalen Lösung sehen dies beileibe nicht so: Die Stadtwerke könnten die EnBW-Mitarbeiter, die sich bisher um das Netz kümmern, übernehmen, argumentieren sie.

Spätestens in zehn Jahren sind die Stadtwerke am Ruder

Alle Kooperationen sehen aber vor, dass der Netzbetrieb nach einer bestimmten Frist an die Stadtwerke übergeht – so hat es der Gemeinderat bestimmt. Diese Übergangszeit kann, je nach Modell, bis zu zehn Jahre dauern. Grünen und SPD ist das zu lange; für eine kürzere Frist hatte sich aber beim Entwerfen der Modelle keine Mehrheit gefunden. Wie man hört, gibt es nun aber einen Bewerber, der einen schnelleren Übergang anbietet. Für die Eigentümergesellschaft sind die Offerten ebenfalls unterschiedlich: Angeblich hat ein Bewerber gar angeboten, mit einem Prozent der Anteile zufrieden zu sein.

Wie geht es weiter? Die Stadtverwaltung prüft derzeit mit der Kanzlei Becker, Büttner und Held die Bewerbungen und bereitet sie für den zuständigen Unterausschuss des Gemeinderates auf. Dieser wird in den kommenden Wochen mehrere teils ganztägige Sitzungen abhalten, um über die Angebote zu beraten. Außerdem vergibt er Punkte nach Kriterien, die schon beschlossen worden sind. Das Angebot, das am Ende am meisten Punkte erhält, muss dann im Gemeinderat gewählt werden. Im Laufe des Monats März soll die Entscheidung im Rat fallen; der genaue Termin ist noch offen.