Aus den nichtöffentlichen Beratungen dringen wichtige Punkte der vier Bewerbungen an die Öffentlichkeit. So machen alle Bewerber der Stadt Zugeständnisse, was die Mitspracherechte anbetrifft. Und es zeigt sich, wie lukrativ das Netzgeschäft sein kann.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Wer wird im März den Zuschlag dafür bekommen, in den nächsten 20 Jahren die millionenschweren Strom- und Gasnetze in Stuttgart betreiben zu dürfen? Hinter verschlossenen Türen bewertet derzeit ein Ausschuss des Gemeinderates die vier eingegangenen Bewerbungen vom Altkonzessionär EnBW, den Stadtwerken Stuttgart, dem Duo EWS Schönau und Stadtwerke Schwäbisch Hall sowie dem Trio Veolia, BS Energy und LHI. Mittlerweile sickern aber immer mehr Details aus den Bewerbungen durch.

 

So scheint es entgegen ersten Gerüchten nun doch ein Kooperationsangebot zu geben, bei dem die Stadtwerke Stuttgart von Anfang die Mehrheit bei Eigentum und Betrieb hätten: Die südschwarzwälder Stromrebellen EWS und die Stadtwerke Hall haben wohl eine „große Netzgesellschaft“ vorgeschlagen, in der Eigentum und Betrieb gebündelt sind; die Stadtwerke Stuttgart hätten darin von Anfang an das Sagen. Bei den Kooperationsangeboten von EnBW und Veolia soll dagegen Stuttgart nur in der Eigentümergesellschaft die Mehrheit haben; in der Betreibergesellschaft würde Stuttgart erst nach einigen Jahren das Ruder übernehmen.

Veolia will die Bürger an der Netzgesellschaft beteiligen

Allerdings hört man vom Veolia-Angebot, dass man den Stadtwerken Stuttgart in der Betreibergesellschaft trotz deren Minderheitenposition eine partnerschaftliche Unternehmensführung vorschlägt, die auch vertraglich festgehalten sei. Sprich: Gegen die Kommune soll es auch im Alltagsgeschäft keine Entscheidung geben. Im Übrigen will Veolia angeblich in der Eigentümergesellschaft komplett auf Mitspracherechte verzichten und zudem darauf dringen, dass sich jeder Bürger finanziell an dieser Gesellschaft beteiligen kann.

Die Frist in der Betreibergesellschaft, nach der die Stadtwerke die Mehrheit erhalten müssen, kann, so hat es der Gemeinderat bestimmt, bis zu zehn Jahre sein – im Vorfeld hatte es heftigen Ärger gegeben, weil Grüne und SPD zwar ebenso wie die CDU der Meinung sind, die Stadtwerke Stuttgart bräuchten zu Beginn einen Partner mit Know-how. Der Übergang der Mehrheit sollte nach dem Willen der Gründen und der SPD aber viel schneller erfolgen. Sie fanden dafür jedoch keine Mehrheit. Offenbar hat nun die EnBW ein Angebot vorgelegt, das den Stadtwerken einige Jahre früher die Mehrheit zugesteht. Das könnte im komplizierten Bewertungssystem nicht nur Punkte bringen, sondern wäre auch taktisch klug, denn in Teilen des Gemeinderats und der Bürger herrscht weiterhin eine große Skepsis gegenüber der EnBW. So glaubt die Initiative „Stadtwerke Stuttgart“, dass die Stadtwerke den Willen der Verbraucher besser berücksichtigen könnten als die EnBW, da diese Rücksicht auf die Kunden außerhalb Stuttgarts nehmen müsse.

Auch der Stuttgarter Energieexperte Joachim Nitsch sagt: Die EnBW müssten sich stärker auf die kommunalen Bedürfnisse Stuttgarts einlassen, damit hier die Energiewende gelingen könne – für unmöglich hält er die EnBW als Netzpartner aber nicht. Bei Schönau und Hall sieht er dagegen keine Probleme, da diese schon heute jene Ökowende betreiben wie sie Stuttgart anstrebt. Neben der Kooperation der Stadtwerke Stuttgart mit einem der drei weiteren Bewerber ist aber weiterhin möglich, dass die Stadtwerke Stuttgart oder die EnBW die Netze alleine erhalten.

Kosten für die Entflechtung der Netze niedriger als geschätzt

Ein Argument gegen einen neuen Netzbetreiber und für die EnBW war immer gewesen, es entstünden riesige Kosten, wenn ein neuer Konzessionär das Stuttgarter Netz vom übrigen EnBW-Netz trennen müsse. Bis zu 70 Millionen Euro sollte diese Entflechtung kosten – bei einem Gesamtpreis von etwa 185 Millionen Euro für Strom- und Gasnetz wäre dies ein ordentlicher Posten. Ein Bewerber soll nun aber die tatsächlichen Kosten für eine messtechnische Entflechtung auf lediglich 2,4 Millionen Euro geschätzt haben. Der Wechsel des Betreibers könnte aufgrund der vielfältigen Vorbereitungen wohl frühestens zum 1. Januar 2016 vollzogen werden, heißt es.

Dass die Stadtwerke Stuttgart großes Interesse an den Netzen haben, liegt an den energiepolitischen Impulsen, die gesetzt werden könnten. Zum Beispiel ist es für den Netzeigentümer einfacher, lokale Blockheizkraftwerke zu fördern und an das Stromnetz anzuschließen. Für alle Bewerber wäre die Strom- und Gaskonzession daneben aber schlicht auch ein gutes Geschäft. Je nach Konstellation, so soll in einem Angebot stehen, sei eine Verzinsung des Eigenkapitals mit bis zu 14,5 Prozent möglich, allerdings vor Steuern. Angesichts der derzeitigen sonstigen Zinsen kann man da nur von einer Traumrendite sprechen.